Flammen der Rache
brachte. Ihr langes, mit duftigen Maiglöckchen geschmücktes Haar wallte ihr offen über den Rücken.
Hand in Hand sah sich das Paar tief in die Augen. Wahre Liebende, die eine lebensbedrohliche Prüfung überstanden und zueinandergefunden hatten – für immer. Sie strahlten so hell, als wären sie von innen heraus erleuchtet.
Es versetzte ihrem Herzen einen brennenden Stich. Neid war völlig unangebracht angesichts dieses perfekten Glücks, aber Lily war kein Engel und auch keine Heilige. Nur gut, dass Tränen zu Hochzeiten dazugehörten. Wer wollte schon den Unterschied zwischen tief empfundenen Tränen der Rührung und bitteren Tränen der Eifersucht erkennen?
Tam war die Trauzeugin der Braut, zusammen mit einem hübschen Mädchen, bei dem es sich der Optik nach um Edies jüngere Schwester handeln musste. Tam sah elegant und gut in Form aus, obwohl sie erst vor zwei Wochen ihre Tochter Irina zur Welt gebracht hatte. Die Nachricht von diesem Ereignis war trotz des Schutzschilds, den Lily um sich errichtet hatte, bis zu ihr vorgedrungen. Tam schaute sie an, und ihre Miene war schwer zu deuten, aber es sah nach Zustimmung aus. Das bewies nur, wie wenig Tam wusste.
Jeder schien zu glauben, dass ihr ein Happy End bevorstand. Aber Lily hatte die Sache tausendmal durchdacht. Sie war sich so sicher gewesen, so überzeugt davon, dass sie und Bruno zusammengehörten, mit Leib und Seele, bis ans Ende aller Zeit. Als sie dann erkennen musste, dass er ihr nicht vertraute, dass er ihr nicht glaubte …
Das würde sie kein zweites Mal überleben. Und wenn es einmal passiert war, warum dann nicht wieder, wenn sie es am wenigsten erwartete?
Ganz abgesehen von ihrer Entdeckung. Lily war noch immer erschüttert darüber und machte eine hormonelle Achterbahnfahrt durch.
Wie immer bei Tam kostete es sie einige Mühe, den Augenkontakt zu unterbrechen. Sie ließ den Blick schweifen, bis sie Val ein paar Reihen hinter sich entdeckte. Ein winziges Baby in einem pinkfarbenen Strampelanzug lag an der Schulter seines eleganten schwarzen Anzugs, der durch ein Spucktuch geschützt wurde. Rachel saß neben ihm.
Val nickte ihr lächelnd zu. Rachel hüpfte winkend auf und ab. Lilys Kehle wurde eng, als sie das Neugeborene betrachtete. Sie freute sich so sehr für die beiden. Wenigstens gab es für ein paar Geschichten ein Happy End. Und das galt nicht nur für diese. Denn da waren auch noch zwei andere ausgelassene dunkelhaarige Kleinkinder, die von Rosas auf Svetis Schoß und wieder zurückkrabbelten. Es waren die beiden Kinder, die sie und Bruno aus Kings brennendem Haus gerettet hatten. Also hatte Bruno tatsächlich das Sorgerecht für die Zwillinge bekommen, und es war doch noch etwas Gutes aus all dem Bösen erwachsen. An diesem tröstlichen Gedanken würde sie sich festhalten.
Lily zog ein Kleenex aus ihrer Handtasche. Bruno trat an die Seite seines Bruders, um ihm die Ringe zu überreichen. Ihre Blicke begegneten sich. Es gab kein Entrinnen. Sie sahen sich unverwandt in die Augen, während Kev und Edie ihr Ehegelübde ablegten.
Lily bekam nichts davon mit. Sie war in einer luftlosen, unsichtbaren Blase gefangen. Das Einzige, was sie sah, war Brunos Gesicht. Das Einzige, was sie hörte, war das Wummern ihres Herzens. Übermächtige Gefühle überrollten sie und schwollen zu etwas Gigantischem an. Sie fürchtete, dass sie sich in einer unangebrachten, zeitlich absolut unpassenden Reaktion Bahn brechen könnten, zum Beispiel durch einen Heulkrampf, einen Ohnmachtsanfall oder einen Nervenzusammenbruch. Lily hatte extra flache Schuhe angezogen, für den Fall einer überstürzten Flucht, und wasserfeste Mascara aufgetragen. Das klebrige Zeug drückte ihre Wimpern nach unten, als hätte sie sie mit Teer getuscht.
Dann trafen sich Kevs und Edies Lippen zu einem Kuss von solch leidenschaftlicher Glückseligkeit, dass der ganze Raum in Jubel und Applaus ausbrach. Alle sprangen unter Beifallsstürmen auf die Füße vor Begeisterung darüber, dass diese beiden tollen Menschen die Liebe ihre Lebens gefunden hatten. Lily spürte, wie die Dämme brachen und ihr die Tränen kamen.
Oh Mist. Nicht jetzt. Lily riss sich von Svetis Hand los und flüchtete durch den hinteren Teil des Gewächshauses in den Garten und blindlings weiter in Richtung Parkplatz …
Eine Hand schloss sich um ihren Arm und brachte sie mit einem Ruck zum Stehen.
Sie keuchte erschrocken auf, dann schaute sie mit wildem, tränenfeuchtem Blick zu Alex Aaro hoch. Um Atem
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