Flammen der Rache
versuchte, nicht zu atmen. Die kombinierten Ausdünstungen von verrottendem Müll und kürzlich eingetretenem Tod waren überwältigend penetrant.
Die Tatortermittler waren noch immer dabei, Beweise zu sichern und zu protokollieren. Zu ihnen gehörte auch seine gute Freundin Trish. Sie organisierte, dass die blutverschmierten Schlagstöcke in einen Trockenschrank gebracht wurden, und füllte die nötigen Formulare aus, damit die Blutproben einer DNA -Analyse unterzogen werden konnten.
Es war ein bizarrer Fall. Drei hünenhafte, mit Messern und Pistolen bewaffnete Männer hatten es vorgezogen, sich mit Schlagstöcken zu verteidigen, während einer oder mehrere unbekannte Angreifer sie offenbar mit bloßen Händen getötet hatten. Natürlich blieb noch die forensische Analyse abzuwarten, aber Petrie hatte ein Gefühl dafür. Er war sich sicher.
Zwei Schlagstöcke waren voller Blut. Weiteres Blut war über den Asphalt verspritzt. Einem Mann war das Genick gebrochen worden, dem zweiten hatte man den Kehlkopf zertrümmert und dem dritten den Schädel eingeschlagen. Es gab keine Augenzeugen.
Wer immer das getan hatte, musste immens stark, sehr groß und/oder auf irgendeiner leistungssteigernden Droge gewesen sein. Handelte es sich hier um einen schiefgegangenen Drogendeal?
Eins war es mit ziemlicher Sicherheit nicht, nämlich die Tat eines abgebrühten Profis. Überall war Erbrochenes, was auf einen unerfahrenen Anfänger hindeutete. Aber welcher Amateur würde drei riesige Kerle mit bloßen Händen töten? Und warum hatten die drei großen Typen sich nicht mit ihren Schusswaffen oder Messern verteidigt? Das Ganze erinnerte an
Akte X
. Steckte am Ende ein Rudel Außerirdischer dahinter? Oder ein Kanalisationsmonster mit einem Saugrüssel? Ja, wahrscheinlich.
Das Spurensicherungsteam packte zusammen. Trish, eine zierliche Blondine, deren dicker goldener Zopf ihr bis auf den Rücken ihrer Polizeijacke reichte, duckte sich unter dem gelben Absperrband hindurch und nickte in Richtung des Diners.
»Kaffee?«, fragte sie. »Ich wurde zu früh gerufen, um meine Koffeindosis intus zu haben.«
»Musst du nicht zurück zum kriminaltechnischen Labor?«
»Nein. Ich gehöre heute zum Primärteam«, antwortete sie. »Ein paar zusätzliche Leichen haben denen gerade noch gefehlt.« Ihr Blick wanderte zu der Bahre, die gerade in das Transportfahrzeug gerollt wurde. »Ein paar warme Leichen, sollte ich wohl besser sagen. Also, wie sieht’s aus? Kaffee?«
»Von mir aus gern.« Sam Petrie konnte eine Tasse Kaffee dringend gebrauchen. Er folgte Trish um die Ecke und in den Diner, dessen Interieur ein Mischmasch aus hellem Chrom, pinkfarbenem Kunststoff und merkwürdiger Kunst war. Knallbunte Landschaftsgemälde wechselten sich auf skurrile Weise mit nüchternen japanischen Naturskizzen in Tusche und Bleistift ab.
Petrie hatte seinen Partner J . D. in dem Lokal zurückgelassen, damit er die Angestellten befragte, die ausnahmslos einen erschütterten Eindruck machten. Der Koch, Julio – ein grauhaariger Hispanoamerikaner –, stand hinter dem Tresen und stützte beide Ellbogen darauf. Die beiden Bedienungen saßen auf Barhockern: ein großer blonder Kerl mit beginnender Glatze, der über seinem Kaffee kauerte, und eine etwa dreißigjährige rothaarige Frau mit Pocahontas-Zöpfen, die laut schluchzte und dabei instinktiv ihre ansehnliche Oberweite mit den Armen nach oben drückte.
Als Petrie und Trish sich an die Theke setzten, schenkte Julio ihnen unaufgefordert Kaffee ein und schob mürrisch einen Teller mit Gebäck in ihre Richtung. Trish nahm sich einen Krapfen und biss genüsslich seufzend hinein.
»Er ist gegen Viertel vor fünf gegangen«, sagte Julio gerade zu J . D. »Circa fünfzehn Minuten nachdem Sid und Leona endlich aufgekreuzt sind. Wie üblich eine halbe Stunde zu spät.«
Sid bedachte den Koch mit einem finsteren Blick, aber Leona, die Pocahontas-Braut, schien die Spitze gar nicht zu bemerken.
»Ich kann nicht fassen, dass das praktisch direkt nebenan passiert ist!«, ereiferte sie sich. »Mörder, gleich hinter der Wand! Was wäre nur passiert, wenn ich aus der Küchentür getreten wäre? Ich hätte sterben können!«
»Wer ist um Viertel vor fünf gegangen?«, fragte Petrie nach.
»Bruno Ranieri«, erklärte J . D. »Der Großneffe von Rosa Ranieri, der dieses Lokal gehört. Sie ist derzeit auf Familienbesuch in Seattle. Er hat die Nachtschicht hier übernommen. Er muss gegangen sein, direkt bevor es
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