Flammen des Himmels
Jungfrau Maria. Doch tatsächlich steht nirgendwo, dass ein Weib genug sei. Der Erzvater Jakob vermählte sich mit Lea und Rahel. Auch König David nahm sich mehrere Weiber, und der große König Salomon hatte für jede Nacht des Jahres eine andere Frau.«
»Das ist …«, setzte Bernhard Rothmann an, schluckte das Wort Blasphemie, das ihm über die Lippen wollte, früh genug hinunter.
»Ich werde in der Heiligen Schrift lesen, um bestimmen zu können, was Recht und Unrecht ist«, sagte er stattdessen.
»Tu das, Bruder Bernhard, und du wirst sehen, dass Gott mir die richtigen Worte in den Mund gelegt hat!«, forderte Bockelson ihn auf und wandte sich dann Hinrichs zu.
»Du hast gehört, dass du kein Sünder bist. Da du jedoch zwei Frauen zum Weib genommen hast, wirst du für beide und auch für deine Kinder sorgen. Bis Bruder Bernhard die Heilige Schrift studiert und sich sein Urteil gebildet hat, darfst du jedoch nur mit einer von beiden fleischlich verkehren. Deine andere Frau wird bis dorthin wie eine Schwester bei dir leben. Entscheide dich! Welche wählst du?«
Hinrichs stand da wie von einer Keule getroffen. Die Angst, bestraft zu werden, saß ihm noch in den Knochen, und er wagte kaum, sich zu rühren. Als ihn jedoch Knipperdolling anfuhr, sich endlich zu äußern, deutete er zögernd auf Katrijn.
»Sie soll es sein. Mein anderes Weib geht mit einem Kind schwanger und mag mir daher nicht nütze sein.«
Knipperdolling lachte leise auf. »Das ist gut gedacht, denn so hast du bis zur Wiederkehr unseres Herrn Jesus Christus ein Weib, das auch für etwas anderes zu gebrauchen ist als nur zum Waschen und Kochen.«
Einige Männer fielen in das Gelächter mit ein, während Frauke neben ihrer Mutter stand und sich fragte, ob sie noch bei Sinnen war und alle anderen den Verstand verloren hatten. Wer hätte je von einem Handwerksmeister gehört, der zur gleichen Zeit zwei Ehefrauen hatte? Als sie Katrijns triumphierende Miene sah, wünschte sie sich beinahe in Klüdemanns Haus zurück. Ihre Stiefmutter, wenn sie die Frau so bezeichnen wollte, verriet deutlich, wer in Zukunft das Sagen haben würde.
5.
T rotz der widrigen Umstände war Frauke froh, Mieke Klüdemanns Regiment entkommen zu sein. Zwar musste sie auch im Haus ihres Vaters hart arbeiten, wurde dafür aber wieder als Bürgerstochter angesehen und konnte daher auf einen Bräutigam hoffen, der sie in sein Haus führen würde. Auch Silke richtete ihre Gedanken zunächst auf eine mögliche Heirat, sagte sich dann aber, dass Jesus Christus bald vom Himmel herabsteigen würde, um die Lebenden und die Toten zu richten. Dies erleichterte sie, nicht zuletzt ihrer Mutter wegen, die allen Lebensmut verloren zu haben schien und Katrijn schalten und walten ließ, wie diese wollte.
Stattdessen hatte Inken Hinrichs sich in eine abgelegene Kammer zurückgezogen. Frauke wusste nicht, ob es daran lag, dass man dem Vater erlaubt hatte, Katrijn als zusätzliche Ehefrau zu behalten, oder ob sie schwer an dem Kind trug. Mittlerweile war auch ihr der Gedanke gekommen, die Mutter könnte von ihrem Vergewaltiger geschwängert worden sein, doch darüber durfte sie kein Sterbenswörtchen verlieren. Allerdings fragte sie sich, ob sie diesem Kind je geschwisterliche Liebe entgegenbringen konnte oder ob der Schatten jener Stunden im Klosterkeller das verhindern würde.
»Was ist mit deiner Arbeit? Bist du fertig?«
Die barsche Frage der Stiefmutter riss Frauke aus ihren Gedanken, und sie nickte. »Das bin ich, Frau Katrijn!«
»Hast du nichts anderes zu tun?«
»Ich könnte Silke beim Aufräumen oben im Speicher helfen«, schlug Frauke vor, doch ihre Stiefmutter winkte ab.
»Das kann sie allein. Du wirst auf den Anger hinausgehen und zusehen, ob noch ein wenig Gras übrig ist, das sich zu mähen lohnt. Wir haben viel zu wenig Heu für die beiden Ziegen. Wenn der Winter lang wird, müssten wir sonst eine von ihnen schlachten.«
Zwar fragte Frauke sich, ob eine Grasmahlzeit da einen großen Unterschied machen würde, aber sie wagte kein Widerwort, sondern verließ kurz darauf mit Sichel und Schubkarre den Hof. Am Tor musste sie warten, weil unerwartet viele Leute draußen standen, die in die Stadt hereinwollten. Die meisten waren Täufer, die bereits Bekannte in Münster hatten und sich auf diese berufen konnten. Andere mussten den Torwachen Rede und Antwort stehen, und so mancher wurde wieder fortgeschickt, weil man glaubte, es könne sich um einen Spion des Bischofs
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