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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Leben keinen schimmeligen Heller mehr wert. Einen Augenblick erwog er, die Stadt am nächsten Morgen wieder zu verlassen, aber er verwarf diesen Gedanken sofort. Er war in diese Stadt gekommen, um seinem Vater und damit auch Franz von Waldeck als Auge und Ohr zu dienen. Den einen wollte und den anderen durfte er nicht enttäuschen. Außerdem war da nun noch Frauke, die, wenn es hart auf hart kam, seine Hilfe brauchte. Mit diesem Gedanken verabschiedete er sich von dem Mädchen und klopfte an die Tür der Herberge.
    In früheren Zeiten hatten um diese Zeit hier Männer zusammengesessen und ihr Bier getrunken. Doch für die Wiedertäufer war dies ein schändliches Tun, das den Menschen daran hinderte, sich Gott so zu öffnen, wie es nötig war. Als man Lothar öffnete, sah er, dass nur wenige Männer und Frauen in der Schankstube zusammensaßen und gerade ihr Abendgebet sprachen. Aber die Krüge vor ihnen waren voll, denn der Wirt wollte nicht auf seinen Verdienst verzichten.
    »Wer bist du?«, fragte er Lothar.
    Dieser sagte dasselbe Sprüchlein auf wie am Tor, dass er Lotte heiße und die Witwe eines Mannes sei, der von den Schergen der römischen Religion ums Leben gebracht worden war.
    Der Wirt nahm die Erklärung ohne Rückfragen hin und wies nach oben. »Du kannst in der hinteren Kammer bei den anderen Weibern schlafen!«
    Das hatte Lothar nicht bedacht. Sich so nahe und so lange in der Gegenwart anderer Frauen aufzuhalten, brachte die Gefahr mit sich, von diesen als Mann erkannt zu werden. Ablehnen konnte er das Angebot jedoch nicht, wenn er nicht von Anfang an Verdacht erregen wollte. Daher stimmte er mit einem »Gott möge es dir vergelten!« zu.
    »Ich hoffe, dass nicht nur Gott es mir vergilt, sondern auch du. Umsonst kann ich dich nicht nächtigen lassen und auch noch durchfüttern. Morgen früh gehst du gefälligst zu Knipperdolling, damit er dir ein anderes Quartier zuweist.«
    Der Wirt gab Lothar damit unwissentlich einen wichtigen Anhaltspunkt. Wie es aussah, wurden hier in Münster bereits Entscheidungen außerhalb des Rates getroffen, und es wunderte ihn nicht, dass ausgerechnet Bernd Knipperdolling dahintersteckte. Dieser hatte bereits in früherer Zeit gegen den alten Glauben und den Fürstbischof gehetzt und war dafür vom Rat zu einer empfindlichen Buße verurteilt worden. Nun nahm er wohl die günstige Gelegenheit wahr, es seinen Gegnern heimzuzahlen.
    Allerdings wusste Lothar, dass er nicht einfach seinen Gedanken nachhängen durfte. Unter Ächzen und Stöhnen zog er eine runzlige Börse hervor und zählte dem Wirt ein paar Pfennige hin. »Mehr kann ich dir beim besten Willen nicht geben«, sagte er.
    »Lass es gut sein!« Der Wirt strich das Geld ein und ging in die Küche. Wenig später kehrte er mit einem Napf zurück, in den er die im Kessel zusammengekratzten Reste des Eintopfs getan hatte.
    »Möge Gott es dir segnen!«, sagte er und stellte die Schüssel Lothar hin.
    »Hab Dank!« Lothar löste seinen Löffel vom Gürtel. Es war ein klobiges, aus Holz geschnitztes Ding, wie es ganz arme Leute benutzten, und der Umgang war für ihn noch ungewohnt. Er ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern aß in aller Ruhe und stellte schließlich den leeren Napf mit einem weiteren Dank zurück. Nach einem Schluck Bier fühlte er sich in der Lage, in das Gebet der Frauen einzustimmen, von denen sich keine Einzige zu ihm umdrehte. Er nahm es als gutes Zeichen, dass sie ihn auch sonst in Ruhe lassen würden, und begab sich schließlich als Erster nach oben.
    Der Wirt leuchtete ihm auf der Treppe und zündete in der Kammer eine Unschlittkerze an. Diese stank so sehr, dass Lothar sofort, nachdem der Mann wieder gegangen war, das Fenster öffnete. Genau diese Empfindlichkeiten aber durfte er sich nicht leisten, das wurde ihm dabei klar. Lotte musste als Witwe eines armen Mannes gelten, die diese Gerüche gewohnt war. Die reicheren Mitglieder ihrer Gemeinschaft würden die Anführer der Täufer gewiss kennen, und wenn ihr angeblicher Ehemann diesen Leuten unbekannt war, dürfte es Misstrauen erwecken.
    Nach kurzem Überlegen wählte Lothar ein Bett im hintersten Winkel. Es bestand wie die anderen aus einem Strohsack auf dem Boden und einer dünnen Decke. Während er das Fenster schloss, überlegte er, ob er sich ausziehen sollte. Er verwarf den Gedanken allein schon wegen der Kälte und legte nur Schultertuch und Überrock ab. Dann kroch er unter die Decke und hoffte, dass ihm bald warm werden würde und er

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