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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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wollte sein Wachbuch bereits zu Knipperdollings Haus tragen, damit man dort kontrollieren konnte, wer an diesem Tag Münster betreten oder verlassen hatte.
    »Ich bin eine arme Witwe und auf der Flucht vor den grausamen Schergen der Inquisition!«, fuhr die Frau fort. »Freunde rieten mir, mit ihnen in das neue Jerusalem zu kommen. Leider wurden wir unterwegs getrennt, so dass ich die beiden letzten Tage allein gehen musste. Ist der ehrenwerte Magister Sebald bereits angekommen?«
    »Ich kenne keinen Sebald«, bekannte Arno, ließ aber die Frau, die im Schein der Fackeln erschöpft und abgerissen aussah, dann doch passieren.
    »Deinen Namen noch!«, forderte er sie auf.
    Diese wandte sich mit einem scheuen Lächeln zu ihm um. »Lotte! So wurde ich getauft.«
    »Wohl noch als Kind, was? Das sogenannte Taufsakrament eines päpstlichen Pfaffen ist nichts wert, da die Hingebung an Gott und der freie Wille des Täuflings fehlt«, erklärte Arno giftig.
    »Dafür kann ich nichts. Als Kind war es mir nicht möglich, mich gegen eine römische Taufe zur Wehr zu setzen! Zu Hause nannte man mich übrigens die Gustin nach meinem Mann, der Gust hieß«, antwortete Lotte, die niemand anderer als Lothar Gardner war.
    Er hatte kurz vor Einbruch der Dunkelheit ankommen wollen, damit die Torwachen ihn nicht bei vollem Tageslicht betrachten konnten, doch beinahe hätte er sich mit der Zeit verschätzt und sah daher erleichtert, dass Arno das Wachbuch noch einmal hinlegte und den Namen Lotte Gustin und die Bezeichnung Witwe eintrug.
    »Du wirst dir für heute ein Nachtquartier suchen müssen, denn ich will die Herren Knipperdolling und Krechting, die für die Unterbringung der Neuankömmlinge verantwortlich sind, nicht zu dieser Unzeit stören«, erklärte der Söldner und nannte Lothar jene Gasthöfe, die bereit waren, auch allein reisende Frauen aufzunehmen.
    Lothar hatte sich in den letzten Tagen intensiv mit den Lehren der Wiedertäufer beschäftigt, da es für ihn überlebenswichtig sein konnte, die richtigen Antworten zu geben. Dennoch sträubten sich die Haare unter seiner Haube, als er in die Stadt hineinschritt. Das größte und gefährlichste Abenteuer seines Lebens hatte begonnen.

6.
    D ie kurze Verzögerung, die durch Lothar entstanden war, hatte für Frauke ausgereicht, um mit ihrer Schubkarre das Tor zu erreichen. Arno sah das Mädchen kopfschüttelnd an.
    »Das nächste Mal kommst du aber früher zurück. Sonst musst du die Nacht draußen verbringen.«
    »Ich werde es mir merken!« Frauke knickste leicht und schob ihre Schubkarre aufatmend durch das Tor. Nur wenige Schritte vor sich sah sie die fremde Frau, die es ihr ermöglicht hatte, noch in die Stadt zu gelangen. Diese stand jetzt auf der Straße und schien nicht so recht zu wissen, wohin sie sich wenden sollte.
    »Hab Dank! Ohne dich hätte ich die Nacht im Freien verbringen müssen. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, tue ich es gerne.«
    Lothar riss es herum. Diese Stimme hätte er unter Tausenden erkannt. Im letzten Augenblick konnte er verhindern, dass er den Namen Frauke ausstieß.
    Obwohl er gehofft hatte, sie hier zu sehen, schossen allerlei Befürchtungen durch seinen Kopf, denn Franz von Waldeck hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er Münster unter allen Umständen wieder unter seine Herrschaft bringen wollte. Der Bischof hätte sogar ein Nebeneinander von katholischen und lutherisch gesinnten Christen hingenommen, nicht aber die Wiedertäufer, die jede Herrschaft durch einen weltlichen oder geistlichen Fürsten strikt ablehnten und einen Gottesstaat unter ihrer eigenen Herrschaft errichten wollten.
    Mit etwas Mühe gelang es ihm schließlich zu antworten. »Du bist sehr freundlich zu mir, Jungfer. Ich kann Hilfe gebrauchen, denn ich bin eine arme Witwe, die nicht weiß, wo sie in dieser Nacht ihr Haupt niederlegen soll.«
    Etwas in der Stimme der Frau klang seltsam vertraut, fand Frauke, aber sie konnte die Erinnerung nicht festhalten. Am liebsten hätte sie die Witwe zu sich eingeladen, wagte es aber Katrijns wegen nicht. Daher wies sie bedauernd auf ein Haus, dessen Türschild es als Herberge auswies.
    »Hier wirst du gewiss Aufnahme finden. Die Wirtsleute sind ehrlich und gehören zu uns.«
    »Ich danke dir!« Lothar hatte Mühe, seine Stimme so zu verstellen, dass sie wie die einer Frau klang.
    Seine Gedanken rasten. Was sollte er bloß tun? Wenn Frauke ihn erkannte und dieses Wissen weitergab – sei es auch nur aus Versehen –, war sein

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