Flammen des Himmels
eigenen Prediger bestätigt worden war, doch er hielt den Mund. Ein wenig fühlte er sich wie das Kind vor König Salomon, um das sich zwei Frauen gestritten hatten.
Hoffentlich schlägt keiner vor, mich in zwei Teile zu schneiden und jeder eine Hälfte zu geben, dachte er und fragte sich, welche Frau er bevorzugen würde. Inken hatte ihm immerhin vier Kinder geboren, reizte ihn aber weitaus weniger als die zwar derbe, aber leidenschaftliche Katrijn.
Bislang hatte Knipperdolling Inken Hinrichs’ Klage als Zeitvergeudung angesehen. Allmählich aber amüsierte er sich über die beiden Frauen und den Mann, der nun in Bigamie lebte. Schließlich hob er die Hand und befahl Ruhe.
»Was sollen wir mit Hinrichs tun?«, wandte er sich an Rothmann, dessen Urteil in religiösen Dingen in der Stadt am meisten Gewicht hatte.
Der Prediger musterte Hinrichs, Inken und Katrijn verärgert. »Es gilt, Gottes Reich zu errichten und den wahren Glauben hier in Münster durchzusetzen. Nur wenn wir alle ohne Sünde sind, wird Jesus Christus zu uns herabsteigen. Ein Mann aber, der sich ein zweites Weib nimmt, obwohl das erste noch lebt, lädt diese Sünde nicht nur auf sich, sondern auf die gesamte Gemeinschaft unserer Gläubigen. Man sollte ihn aus der Stadt weisen oder gleich hinrichten.«
Bei diesen Worten stieß Hinrichs einen erschrockenen Ruf aus. »Ehrwürdiger Herr, ich bin ein treuer Christ und dem Ruf des ehrenwerten Propheten Jan Matthys nach Münster mit reinem Herzen gefolgt. Auch habe ich dieses Weib«, er zeigte auf Katrijn, »nicht aus Lust genommen, sondern der Not gehorchend, um für mich und meinen Sohn eine Hausfrau zu erhalten. Tötet mich nicht und jagt mich nicht aus der Stadt, auf dass ich die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus erkennen und er über mich richten kann.«
»Der Mann verteidigt sich geschickt«, warf Knipperdolling ein.
Rothmann schüttelte empört den Kopf. »Dieser Mann hat mit seiner zweiten Heirat die heilige Ordnung in unserer Stadt gestört. Das können wir nicht zulassen.«
»Ich würde diesen Mann nicht gleich töten«, mischte sich Jan Bockelson nun ein. »Immerhin hat unser großer Prophet ihn hierhergeschickt. Jan Matthys würde keinen Unwürdigen zu uns senden. Wir sollten beraten, welche der beiden Ehen gilt, und dann unsere Entscheidung treffen.«
Jetzt hob Inken Hinrichs doch den Kopf und sah Bockelson an wie ein verwundetes Tier. »Ich habe meinem Mann vier Kinder geboren und bin erneut schwanger!« Es fiel ihr unendlich schwer, Letzteres zuzugeben, denn sie befürchtete, das Kind, das in ihr heranwuchs, könnte ein Ergebnis der Vergewaltigung durch den Foltermeister des Inquisitors Gerwardsborn sein. Das aber durfte niemals jemand erfahren. Vor der Welt musste ihr Mann als Vater des Kindes gelten. Doch was war mit Gott?, fragte sie sich. Er kannte die Wahrheit und würde sie vielleicht strafen, wenn sie die Unwahrheit sprach.
»Du bist schwanger?« Für Rothmann wog dieser Umstand schwer. Daher winkte er Hinrichs zu sich und zeigte auf Inken.
»Damit hat Gott gesprochen. Diese ist dein Weib!«
»So haben wir nicht gewettet«, fuhr Katrijn nun auf. »Mein Mann hat fleischlich mit mir verkehrt, und ich kann genauso gut schwanger sein wie die dort. Ich bestehe auf meinem Recht, denn ich wurde Hinner Hinrichs durch den ehrenwerten Herrn Bernhard Rothmann angetraut.«
»Das hast du bereits gesagt«, antwortete Knipperdolling. »Aber Herr Rothmann hat entschieden, dass …«
Da hob Bockelson die Hand. »Halt! Bruder Bernhard hat nur erklärt, dass das erste Weib bei Hinrichs bleiben soll, nicht aber, dass sein zweites Weib diesen verlassen muss.«
»Du willst, dass dieser Mann in Bigamie lebt und Gottes Ordnung damit verhöhnt?« Bernhard Rothmann sprang empört auf, doch Bockelson bat ihn, sich wieder zu setzen.
»Geliebter Bruder«, begann der Holländer. »Keiner vermag die Heilige Schrift besser zu deuten als du, und doch frage ich mich, ob du hier nicht einem Irrtum unterliegst. Nenn mir eine Stelle aus Gottes Buch, die es einem aufrechten Christen untersagt, sich mehr als ein Weib zu nehmen.«
Die Frage schlug ein wie der Blitz. Alle starrten Bockelson verwirrt an, während Bernhard Rothmann zu widersprechen versuchte, aber in der Erregung kein Wort herausbrachte.
Bockelson nutzte das verdutzte Schweigen, um weiterzureden. »Wohl gibt es in der Heiligen Schrift Männer, die sich nur ein Weib nahmen. So hat Isaak Rebekka genommen, Boas Ruth und Josef die
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