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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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traurig den Kopf. »Wir werden es durchstehen, Gardner, auch ohne Burgunds Hilfe und die des Kaisers. Was wisst Ihr Neues aus Münster?«
    »Die Wiedertäufer haben endgültig die Macht in der Stadt ergriffen und alle Kirchen geschändet. Altäre, heilige Reliquien und alle sakralen Gerätschaften wurden zerstört.«
    »Sind Eure Quellen verlässlich?«, fragte der Fürstbischof, der sich ein solches Ausmaß an Vandalismus nicht vorstellen konnte.
    Bislang hatte Gardner dem Fürstbischof verschwiegen, dass er den eigenen Sohn als Spion in die Stadt geschickt hatte. Doch nun begriff er, dass er diese Information nicht länger zurückhalten durfte. Zum einen ging es im Falle einer Erstürmung der Stadt um Lothars Leben, und zum anderen wollte er den Landesherrn seinem Sohn geneigt machen.
    »Meine Quelle ist absolut zuverlässig«, antwortete er so leise, dass keiner der Fackelträger es hören konnte. »Es ist mein Sohn Lothar. Ihr kennt ihn! Er hält sich als Weib verkleidet in der Stadt auf und schickt mir Nachricht durch Flaschen, die er in die Aa wirft!«
    »Lothar!« Beinahe hätte der Fürstbischof gesagt, dass der Junge auch wie ein Mädchen aussah.
    Er verkniff sich diese Bemerkung jedoch, um seinen bewährten Ratgeber nicht zu beleidigen, und setzte seine Rede anders als geplant fort. »Mut hat der Junge wirklich, und er weiß List einzusetzen. Ich gratuliere Euch zu ihm, Gardner! Man sieht auch hier, dass der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen ist.«
    Gardner lächelte geschmeichelt. Zwar hatte er in seiner Jugend männlicher ausgesehen als sein Sohn, doch das Lob seines Herrn wog schwer. Es mochte für Lothar der Beginn einer Karriere sein, die ihn noch höher hinaufführen konnte, als er selbst gelangt war.
    »Vor allem ist Lothar treu und zuverlässig«, erklärte er dem Fürstbischof. »Er ist ein aufmerksamer Beobachter und hat alle Untaten dieser Ketzer genau beschrieben.«
    »Ein guter Junge«, murmelte Franz von Waldeck vor sich hin. »Ich wollte, wir hätten mehr von seiner Sorte. Allein ist er in Münster ziemlich hilflos, aber fünf oder zehn wackere Burschen wie er könnten das Ruder noch einmal herumwerfen.«
    »Vor ein paar Monaten wäre das noch möglich gewesen, jetzt nicht mehr. Die Täufer haben in der Stadt das Sagen, und sie erkennen nur ihre eigenen Propheten über sich an und keinen anderen Herrn. Jan Matthys ist nun Herr über Leben und Tod in Münster, und es gibt niemanden, der ihm in den Arm fallen könnte.«
    Gardners Worte klangen düster, obwohl er immer noch hoffte, die Bürger von Münster könnten den Mut und die Kraft aufbringen, sich gegen die in die Stadt geströmten Wiedertäufer zusammenzuschließen. Vielleicht konnten sie sogar eines der Tore erstürmen und den eigenen Truppen den Weg öffnen. Er wusste jedoch selbst, dass das meiste davon Wunschdenken war und es mehr als eines Wunders bedurfte, damit seine Hoffnung sich erfüllte.

4.
    L othar kam es so vor, als habe sich ein eisiger Schatten der Stadt bemächtigt. Kaum jemand ging noch seinem Tagwerk nach. Jan Matthys’ Anhänger streiften bewaffnet durch die Straßen und zerschlugen in Kirchen, Klöstern und Kapellen alles, was an die alte Religion erinnerte. Andere verkrochen sich in ihren Häusern, zogen die Köpfe ein und hofften, dass der Sturm an ihnen vorübergehen würde.
    Oft genug aber wurden gerade diese Menschen durch laute Schläge gegen die Haustür aufgeschreckt. Wer Jan Matthys’ Schergen nicht rasch genug öffnete, dessen Tür wurde mit Baumstämmen aufgerammt, das Haus geplündert und die Bewohner misshandelt. Doch auch diejenigen, die die Männer und Frauen hereinließen, konnten sich nicht sicher sein, ob diese in Frieden wieder gehen würden. Fanden die Eindringlinge nur einen Rosenkranz oder die Statuette eines oder einer Heiligen, so trieb man die Bewohner des Hauses auf die Straße und jagte sie unter wüsten Beschimpfungen aus der Stadt.
    Nach ein paar Tagen war dies den Spitzen der Wiedertäufer nicht mehr genug. Als Bernhard Rothmann auf dem Markt seine Predigt begann, erschien Jan Matthys und bedeutete ihm, innezuhalten. Dann wandte er sich an seine Anhänger, die sich um sie versammelt hatten.
    »Der Tag des himmlischen Gerichts ist nahe! Doch immer noch verpesten die Verfechter des alten Glaubens und der lutherischen Verirrung diese Stadt. Wie soll unser Herr Jesus Christus zu uns herabsteigen, wenn die Heiden unter uns weilen? Geht hin und ruft alle herbei, die in dieser Stadt leben

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