Flammen des Himmels
waren. Aber was blieb dann noch?, fragte sie sich. Im Grunde nur Luthers Lehre, die von vielen als Befreiung vom Joch der römischen Kirche empfunden wurde.
»Ich denke ebenso wie Ihr«, sagte sie lächelnd unter Tränen, »und ich wollte, wir wären nicht hierhergekommen.«
»Das wollte ich auch!« Noch während er es sagte, wusste Lothar, dass es nicht stimmte. Dafür war seine Freude, Frauke wiedergetroffen zu haben, viel zu groß. Als er jedoch darüber nachdachte, wie er sich in Zukunft zu ihr stellen sollte, kämpften zwei Seelen in seiner Brust. Zum einen spürte er, wie sehr er sie als Frau begehrte. Andererseits war ihm klar, dass eine ehemalige Ketzerin bürgerlicher Herkunft seinem Vater als Schwiegertochter niemals gut genug sein würde.
»Wir sollten über der Zukunft nicht das Hier und Heute vergessen«, flüsterte er mehr für sich selbst als für Frauke bestimmt.
»Da habt Ihr recht! Was glaubt Ihr, was noch kommen wird?«
Lothar stieß ein freudloses Lachen aus. »Wenn ich das wüsste, hätte ich mich nicht in Frauenkleidern in die Stadt schleichen müssen. Auf jeden Fall verheißt Jan Matthys’ Ankunft nichts Gutes, das hat er heute bewiesen.«
»Dann frage ich mich, was wir tun sollen«, antwortete Frauke verunsichert.
»Auf jeden Fall verhindern, dass wir auffallen. Aus diesem Grund wirst du zu mir Lotte sagen und mich nicht wie eine Person von Stand anreden. Auch sollten wir uns jeden Tag mindestens zwei-, dreimal sehen, um miteinander sprechen zu können. Die Situation hier in der Stadt kann sich beinahe stündlich ändern.«
Lothar bedauerte es nun, dass er zwar Nachricht nach draußen senden, aber selbst keine empfangen konnte. Es gab zwar einige Männer in der Stadt, die gleichfalls Kontakt zu den Bischöflichen pflegten, aber er hatte nicht herausfinden können, ob sie zuverlässig waren.
»Irgendwie werden wir es schaffen«, sagte er, um Frauke und vor allem sich selbst Mut zu machen. »Doch ich glaube, wir sollten jetzt wieder nach draußen gehen und nachsehen, was diese Narren alles angerichtet haben.«
Dabei nahm er sich vor, noch am gleichen Tag der Aa eine Nachricht anzuvertrauen. Vorher aber musste er sich persönlich überzeugen, was bei dem Bildersturm der Wiedertäufer alles zerstört worden war.
3.
J an Matthys’ Ankunft in Münster stellte eine Wende dar. Hatte Franz von Waldeck bislang noch gehofft, die Situation durch Verhandlungen mit dem Rat der Stadt lösen zu können, so war dessen Macht nun endgültig gebrochen. Der neue Herr in Münster war der oberste Prophet der Wiedertäufer – und mit dem Mann war nicht zu reden.
An diesem Abend schritt der Fürstbischof, begleitet von Magnus Gardner und zwei Dienern, die ihnen den Weg ausleuchteten, durch den kahlen Garten seiner Residenz, die in dem nur wenige Meilen von Münster entfernten Telgte lag, und kämpfte gegen die Verzweiflung an, die ihn zu übermannen drohte. »Sagt mir, Gardner, wie konnte es so weit kommen?«
Lothars Vater stieß die Luft hart aus den Lungen und sah den weißen Wölkchen nach, die sein Atem in die Luft zeichnete. Es lag ihm auf der Zunge zu sagen, Waldeck habe eben zu lange gewartet, aber was würde das helfen? Daher rang er sich eine andere Antwort ab.
»Das, Eure Hoheit, weiß niemand! Bei Gott, wie sehr hatte ich gehofft, es könnte in Münster zu einem Ausgleich zwischen den katholischen und den lutherischen Christen kommen, wie es in anderen Städten geschehen ist. Doch in Eurer Stadt haben sich Prediger wie Bernhard Rothmann breitgemacht und die Herzen der Menschen vergiftet. Dabei haben viele seiner Anhänger zu Beginn nur deshalb zu ihm gehalten, weil sie gehofft haben, die Stadt Münster endgültig aus dem Fürstbistum lösen und zu einer freien Reichsstadt machen zu können.«
»Jetzt leben sie im neuen Jerusalem!« Obwohl Franz von Waldeck lachte, lag kein Spott in seinen Worten, sondern Angst.
»Vor allem leben sie unter der Herrschaft von Jan Matthys und dessen Kamarilla. Daher würde ich vorschlagen, dass wir die Stadt enger umschließen und von allem Nachschub abschneiden. Wenn der Tag der angeblichen Wiederkehr Christi verstrichen ist, ohne dass die Prophezeiung wahr geworden ist, könnten die vernünftigeren Männer in Münster bereit sein, sich mit uns zu verständigen.«
»Und wenn nicht, Gardner? Ihre Anführer sind Fanatiker. Was ist, wenn sie die Herrschaft mit Gewalt behalten und alle, die gegen sie sind, ermorden?«
»Dann, Eure Hoheit, bleibt uns nichts
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