Flammen des Himmels
auf ihrer Schulter. »Geh! Ich werde später bezeugen, dass du nur dem Zwang gehorcht hast.«
Einen Augenblick lang blieb Frauke noch stehen. Dann aber sagte sie sich, dass neben ihrer Familie auch Debald Klüdemann und dessen Frau, vor allem aber Jan Bockelson wusste, dass sie die Erwachsenentaufe bislang nicht erhalten hatte. Wenn sie jetzt nicht nachgab, gefährdete sie alle, die sie liebte. Mit wankenden Knien schritt sie nach vorne und gliederte sich in die lange Reihe ein, die sich vor den taufenden Predigern gebildet hatte. Durch Zufall kam sie neben ihrem Bruder zu stehen, der sich angeregt mit Faustus unterhielt.
»Ich hätte schon längst getauft werden sollen«, erklärte Helm gerade. »Doch wegen dieses schrecklichen Inquisitors ist nichts daraus geworden, und hier in der Stadt hat mein Vater nicht dafür gesorgt, dass es getan wird.«
»Du sollst Vater nicht vor anderen Leuten schlechtmachen«, schalt Frauke ihren Bruder.
Helm lachte sie jedoch aus. »Ich weiß genau, was von Vater zu halten ist. Er ist ein arger Zauderer, der sich am liebsten noch vorschreiben lassen würde, wann er zum Abtritt darf. Denke doch nur daran, wie er vor Katrijn kuscht, obwohl diese bloß ein Weib ist und ihm den Lehren des Evangeliums zufolge in allen Dingen gehorchen müsste.«
Frauke erinnerte sich noch an mehr, nämlich an die Entschlusslosigkeit ihres Vaters beim Erscheinen des Inquisitors, die Haugs Tod und ihre Gefangenschaft erst verschuldet hatte. Es gab genug, was sie dem Vater hätte vorwerfen können. Doch nicht einmal Lothar gegenüber würde sie ein schlechtes Wort über ihn verlieren.
»Es ist nicht richtig, so über ihn zu reden!« Mehr konnte sie im Augenblick nicht zu Helm sagen, aber sie nahm sich fest vor, ihm zu Hause den Kopf zurechtzusetzen. Weder gefiel ihr das falsch klingende Lachen seiner neuen Freunde noch die seltsamen Blicke, mit denen vor allem Faustus ihren Bruder musterte.
Kurz darauf stand sie vor einem Prediger und wurde in einer kurzen und alles andere als feierlichen Zeremonie in die Gemeinschaft der Wiedertäufer aufgenommen. Sie nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass es ihrem Bruder ebenso erging, und war seltsamerweise enttäuscht. Als sie in sich hineinhorchte, fühlte sie sich sogar abgestoßen. Wären Jan Matthys’ Prophezeiungen tatsächlich wahr, so hätte sie einen Hauch des Heiligen Geistes spüren müssen. Doch das Einzige, was sie empfand, war die Kälte dieses Februartages und ihre Blase, die sich immer stärker meldete. Mit einem gewissen Galgenhumor dachte sie, dass es aus dem Grund sogar gut war, so eine wenig feierliche Taufzeremonie erlebt zu haben.
Sie verließ ihren Bruder, gesellte sich kurz zu Silke und Lothar und erklärte diesen, dass sie auf den Abtritt müsse. Bevor sie ging, drehte sie sich noch einmal um und sah die beiden vertraut miteinander reden. Das versetzte ihr einen Stich, und sie fühlte etwas, das ihr bislang fremd geblieben war, nämlich Neid auf ihre Schwester. Silke war eine Schönheit, und das konnte Lothar nicht entgangen sein. Obwohl sie sich dieser Gefühle schämte, ließen sie sich nicht unterdrücken, und sie eilte unter Tränen nach Hause.
5.
I m Gegensatz zu seiner Schwester fühlte Helm sich großartig, weil er endlich getauft war und damit zu den Brüdern des wahren Glaubens gehörte. Dies erklärte er auch seinen beiden Freunden.
Faustus warf Isidor einen raschen Blick zu. »Das müssen wir feiern, findest du nicht?«
»Natürlich!«, antwortete Isidor breit grinsend. »Aber ich glaube, wir sollten nicht in ein Gasthaus gehen, denn unsere Prediger verbieten es. Dabei hat unser Herr Jesus Christus auch gerne gefeiert. Erinnert euch nur an die Hochzeit zu Kana, wo er das Wunder tat, Wasser in Wein zu verwandeln! Daher ist es direkt christlich gedacht, wenn wir uns ein paar Becher Wein genehmigen.«
»Aber wo sollen wir an Wein gelangen?«, fragte Helm unsicher. »Bei uns zu Hause gibt es zwar welchen, aber den bewacht meine Stiefmutter grimmiger als ein Drache seinen Schatz.«
»Am Wein soll es nicht scheitern!« Faustus schlug Helm lachend die Hand auf die Schulter. »Weißt du, mein Freund, wir haben in der letzten Zeit in so manches leere Haus geschaut und dabei etliche Flaschen und Fässlein gefunden, deren Inhalt uns jetzt gut schmecken wird. Hast du Lust, mit uns zu kommen?«
»Und ob ich die habe!« Bislang hatte Helm nur selten Wein kosten können und dabei nie mehr als einen halben Becher erhalten. Daher wollte er
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