Flammen des Himmels
herumführt. Sobald das Osterfest vorbei und unser Herr Jesus Christus im Himmel geblieben ist, werden es alle erkennen und dich anspeien, so wie ich es jetzt tue!«
Mit zwei Schritten war er bei Matthys und spuckte. Zwar traf er nur dessen Gewand, aber der Prophet fuhr voller Wut auf, entriss einem seiner Leibwächter das Schwert und schlug auf den anderen ein.
Der Mann entging dem ersten Schwerthieb und wollte zurückweichen. Aber Bernd Knipperdolling war schneller und traf auch besser als der zornige Holländer. Sein Schwert bohrte sich knirschend durch Fleisch und Gebein. Der Getroffene sank vornüber und blieb reglos liegen, während sein Blut den zusammengetretenen Schnee rot färbte.
»Ihr seid gottloses Gesindel! Der Teufel wird euch alle holen, und wir werden über euch lachen, wenn wir sehen, wie ihr euch im Höllenfeuer windet und vor Schmerz und Qual schreit«, brüllte Matthys den abziehenden Lutheranern nach.
»Bei Gott!«, murmelte Frauke und krallte die Finger so fest in Lothars Arm, dass dieser die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht vor Schmerz zu stöhnen.
Er selbst war nicht weniger entsetzt als das Mädchen. Zwar hatte er Matthys und dessen engstem Umkreis einiges Schlechte zugetraut, aber nun hatten diese Männer ein noch hässlicheres Gesicht gezeigt. Mit solchen Leuten waren Verhandlungen sinnlos. Zwischen ihnen und dem Fürstbischof würde das Schwert entscheiden müssen.
Kaum hatte sich das Stadttor hinter denjenigen geschlossen, welche die Stadt verlassen wollten, da reckte Jan Matthys die Faust triumphierend in die Höhe. »Die Feinde des wahren Glaubens sind vertrieben! Nun gilt es, all jene zu taufen, bei denen es noch nicht geschehen ist, auf dass auch ihnen das ewige Leben im Angesicht unseres Herrn Jesus Christus zuteilwird.«
Einige der Prädikanten, die sich Matthys und dessen Lehren verschrieben hatten, sahen dies als Aufforderung an, mit der Erwachsenentaufe zu beginnen. Frauke bemerkte, dass ihr Bruder Helm, der gleich ihr noch ungetauft war, nach vorne drängte, um als einer der Ersten an der Reihe zu sein. Mittlerweile hatte Helm sich mit zwei jungen Männern angefreundet, die erst kürzlich in die Stadt gekommen waren. Auch diese eilten zu den Predigern, um endgültig in die Gemeinschaft um Jan Matthys aufgenommen zu werden.
Lothar verzog das Gesicht, als er Faustus und Isidor erkannte, denen er bislang sorgfältig aus dem Weg gegangen war. Auch ohne das, was zwischen ihnen vorgefallen war, billigte er ihnen nicht die Tiefe und Festigkeit im Glauben zu, um echte Täufer zu sein. In dem Augenblick, in dem die Truppen des Fürstbischofs hier die Oberhand gewannen, würden sie wieder zu treuen Anhängern des katholischen Glaubens werden. Vorerst aber empfand er sie als Ärgernis – und das nicht nur für sich.
»Du solltest deinen Bruder vor den beiden Kerlen warnen, mit denen er sich herumtreibt«, sagte er zu Frauke.
»Warum?«
»Tu es! Rate Helm, sich nie mit den beiden allein an einem einsamen Ort aufzuhalten.« Deutlicher konnte Lothar nicht werden.
Frauke wusste nichts über Männer, die sich zu Knaben hingezogen fühlten, daher verstand sie Lothars Warnung nicht. Dennoch wollte sie seine Worte beherzigen.
Auch Silke musterte ihren Bruder und dessen neue Freunde misstrauisch. »Das sind keine guten Männer«, raunte sie der Schwester zu. »Ich fühle es!«
»Dann sag du bitte Helm, dass er sie meiden soll. Auf dich hört er eher als auf mich«, bat Frauke aus langjähriger Erfahrung heraus.
»Das hat er getan, bevor wir in diese Stadt kamen. Nun aber geht er seine eigenen Wege.« Silke klang traurig. Dann zupfte sie Frauke am Ärmel. »Warum gehst du nicht nach vorne und lässt dich ebenfalls taufen? Ich will nicht, dass unser Herr Jesus Christus dich bei seinem Erscheinen als unwert erachtet und verwirft oder du gar vorher aus der Stadt getrieben wirst wie jene arme Menschen, die wir vorhin gesehen haben.«
»Wir hätten nicht nach Münster kommen sollen«, flüsterte Frauke. »Unsere Anführer maßen sich Rechte an, die ihnen nicht zustehen.«
»Sei still! Oder willst du, dass dich jemand hört?«, warnte Lothar sie eindringlich.
»Verzeih!« Frauke begriff, dass sie mit solchen Reden auch Lothar gefährdete, und schämte sich. Trotzdem wollte sie nicht nach vorne gehen, um sich taufen zu lassen, denn ihre Zweifel an der Richtigkeit der Täuferbewegung waren nie größer gewesen als zu dieser Stunde.
Da fühlte sie auf einmal Lothars Hand schwer
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