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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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musst du hierbleiben und ihn hinter mir zuschieben. Ich klopfe an, wenn ich zurückkomme.« Frauke hoffte schon, ihre Schwester würde darauf eingehen, doch Silke überwand ihre Furcht vor der Stiefmutter und folgte ihr nach draußen. Sie kamen rasch voran und standen wenig später vor Lothars Hütte. In ihrer Erregung pochte Frauke viel zu heftig an seine Tür.
    Lothar schlief bereits, als er durch das Klopfen geweckt wurde. Im ersten Schrecken griff er nach dem Dolch, den er unter seinen Frauenkleidern verborgen in die Stadt geschmuggelt hatte. Dann hörte er Fraukes Stimme und entspannte sich wieder.
    »Lotte, bitte wach auf!«
    »Ich bin schon wach!«, antwortete er, während er von seinem Strohsack aufstand und sich in der Dunkelheit zum Herd vortastete, auf dem ein wenig Holzkohle, von einem Tontopf abgedeckt, glühte. Er legte Reisig drauf, blies das Feuer an und benützte ein brennendes Holzstück, um die Unschlittlampe zu entzünden. So rasch er konnte, zog er sein Kleid über, achtete darauf, dass die Stellen, die einen Busen andeuten sollten, richtig saßen, und öffnete dann die Tür.
    Im nächsten Augenblick war er froh, sich sorgfältig angezogen zu haben, denn neben Frauke stand auch deren Schwester mit einer brennenden Laterne in der Hand. »Was gibt es?«, fragte er besorgt.
    »Es geht um unseren Bruder«, antwortete Frauke. »Er ist heute nicht nach Hause gekommen. Jetzt suchen Silke und ich ihn.«
    »Und euer Vater?«
    »Der ist mit seinem holländischen Weib zu Bett gegangen, ohne sich um Helm zu kümmern. Auch Mutter tut es nicht, seit …« Silke brach ab, da sie sich daran erinnerte, ihrer Mutter geschworen zu haben, die Vergewaltigung durch Gerwardsborns Foltermeister Dionys niemals zu erwähnen.
    Frauke fasste Lothars Hände und sah ihn bittend an. »Wir müssen ihn finden! Die Nacht ist kalt, und wir haben Angst um ihn.«
    »Er kann sich auch jemandem angeschlossen haben.« Noch während er es sagte, beschlich Lothar ein Verdacht. Seine Miene wurde hart, und er steckte den Dolch ein.
    Frauke entging das nicht, und sie schlug das Kreuz. »Befürchtest du Schlimmes?«
    Unterdessen starrte Silke Lothar an und schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist doch nicht möglich!«
    »Was?«, fragte Frauke.
    »Lotte! Sie sieht aus wie unser Retter und spricht auch mit dessen Stimme!«
    In dem Augenblick hätte Lothar sich wegen seiner Unvorsichtigkeit selbst ohrfeigen können. Zuerst wollte er leugnen, begriff aber, dass er damit nicht weit kommen würde.
    Daher trat er auf Silke zu, fasste sie bei den Schultern und schüttelte sie. »Vergiss es sofort wieder und sage zu niemandem ein Wort, hast du verstanden?«
    Silke wand sich aus seinem rauhen Griff und wich ein paar Schritte zurück. Dennoch nickte sie. »Ich werde schweigen wie ein Grab!«
    »Sag so etwas nicht!«, schalt Frauke sie. »Du rufst es sonst noch herbei.«
    »Ich werde wirklich nichts sagen. Immerhin hat Herr Gardner uns drei gerettet, sonst hätte dieser unsägliche Inquisitor uns ebenfalls auf dem Scheiterhaufen verbrannt.« Von den Erinnerungen überwältigt, begann Silke zu zittern.
    Doch Frauke war noch nicht zufrieden. »Wirst du auch den Mund halten, wenn einer der Prediger oder Prädikanten dich auffordert, einen Feind oder Verräter zu melden?«
    Einen Augenblick lang schwankte Silke. Das Wort dieser Männer wog schwer und mochte den Unterschied zwischen Verdammnis und ewiger Seligkeit ausmachen. Dann aber dachte sie daran, dass sie sich unter einem himmlischen Jerusalem etwas anderes vorgestellt hatte als diese Stadt, in der Menschen vertrieben oder gar getötet wurden, nur weil sie ihren eigenen Glauben nicht verraten wollten. Lange Jahre war dies das Schicksal der Täufer gewesen. Jetzt erleben zu müssen, dass die eigenen Leute nicht besser waren als ihre Feinde, erschreckte sie.
    »Ich verspreche, Herrn Gardner nicht zu verraten. Um es offen zu sagen, bin ich sogar froh, dass er Lotte ist.« Aus Silke sprach der unbewusste Wunsch, beschützt zu werden.
    Ihre Schwester spürte es und kämpfte für einen Augenblick mit dem Gefühl, dass die Welt ohne Silke für sie besser wäre. Sofort schämte sie sich dieses Gedankens und sah die anderen auffordernd an.
    »Wir sollten nicht hier herumstehen und schwatzen, während Helm vielleicht dringend unsere Hilfe braucht.«
    Lothar legte sich sein Schultertuch um, setzte sich die schlichte Haube auf und nahm seine Laterne. »Kommt mit! Ich glaube, ich weiß, wo wir den Jungen finden

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