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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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können.«
    Mit diesen Worten verließ er die Hütte und schritt an der Wehrmauer entlang in die Richtung, in der Faustus’ und Isidors Schlupfwinkel lag.
    Es schneite immer noch leicht, und sie hinterließen deutliche Fußstapfen im frisch gefallenen Schnee. Nach etwa einhundert Schritten tauchte zu ihrer Linken ein Schutthaufen auf, den Lothar zunächst nicht beachtete.
    Doch Frauke, die neben ihm ging, stieß einen erschrockenen Ruf aus: »Seht dort!«
    Lothar folgte ihrem Fingerzeig und sah eine Hand aus dem Schnee herausragen. Sofort eilte er hin, stellte die Laterne ab und packte die Hand. Sie fühlte sich kalt an, so wie die eines Toten. Er erschrak und wollte die beiden Mädchen wegschicken. Doch da knieten diese bereits neben ihm und halfen mit, den regungslosen Körper vom Schnee zu befreien.
    »Es ist Helm!« In Fraukes Stimme schwang die Angst mit, ihr Bruder könnte nicht mehr am Leben sein. Doch als sie mit Zeige- und Mittelfinger Helms Halsschlagader ertastete und den zwar langsamen, aber steten Pulsschlag fühlte, atmete sie auf.
    »Er lebt noch! Wir sollten ihn rasch in Lottes Hütte bringen. Silke, nimm du die Laterne! Lotte und ich werden Helm tragen. Auch brauchen wir Schnee, um Helms Glieder zu reiben. Bei dieser Kälte könnten ihm leicht Füße oder Hände erfrieren.« Noch während sie es sagte, wuchtete sie den nicht gerade leichten Körper des Jungen hoch.
    Sofort nahm Lothar ihn ihr ab. »Ich trage ihn! Kümmere du dich um den Schnee.«
    Silke leuchtete ihm den Weg aus, während Frauke sich so viel Schnee auf die Arme lud, als wolle sie einen Schneemann bauen.
    Während des Rückwegs sprach keiner der drei ein Wort. Erst als sie sich wieder in Lothars Hütte befanden, stellte Frauke die Frage, die sie alle bewegte. »Wie konnte das geschehen?«
    »Verletzt ist er nicht«, sagte die Schwester nach einem prüfenden Blick.
    »Helft mir, ihn auszuziehen«, bat Lothar die Mädchen. »Oder wollt ihr, dass ihm die Zehen oder die Finger abgenommen werden müssen?«
    »Natürlich nicht!«, fauchte Frauke und begann, Helm aus seinem Wams zu schälen. Auch Silke half mit, und so lag der Junge bald nur noch mit der Unterhose bekleidet auf dem primitiven Tisch, während seine Sachen an den Stangen über dem Herd hingen. Nun kam der schwerste Teil für alle drei, denn sie mussten den eiskalten Schnee nehmen und erst Helms Hände und Füße und dann die Arme und die Beine damit abreiben.
    Es war eine anstrengende Arbeit, doch sie konnten bald aufatmen, denn der Junge regte sich nach einer Weile und begann, unverständliche Worte zu stammeln. Zu ihrer Überraschung kam er jedoch nicht zu sich, sondern fiel in einen unruhigen Schlaf, in dem ihn seinem Wimmern nach üble Träume zu quälen schienen.
    Schließlich begriff Lothar, was Helm fehlte. »Der Bursche ist vollkommen betrunken!«
    »Unmöglich! Zu Hause teilt uns Katrijn den Wein ein, als müsse er bis zum nächsten Weihnachten reichen, dabei sagt Matthys die Wiederkehr Christi bereits für Ostern voraus«, wandte Silke ein.
    Lothar schüttelte den Kopf. »Den Wein hat er nicht von euren Eltern oder eurer Stiefmutter erhalten – wenn man die Frau so bezeichnen will. Helft mir, ihm noch den Rest auszuziehen! Dort gibt es auch etwas, das abfrieren kann, und das wollt ihr sicher nicht.«
    Während Silke kicherte, griff Frauke zu. Zwar hatte sie ihren Bruder nur als kleines Kind nackt gesehen und hielt es für eine Sünde, dies bei einem als erwachsen geltenden Mann zu tun, dennoch half sie Lothar. Die bewusste Stelle mit Schnee zu bearbeiten überließ sie jedoch ihm und wandte den Kopf nach einem vorwitzigen Blick krampfhaft in eine andere Richtung. Auch Silke sah nur kurz dorthin und rieb dann die Hände ihres Bruders, obwohl diese sich mittlerweile schon wieder warm anfühlten.
    Nach einer Weile hielt Lothar inne und atmete tief durch. »Wir sollten euren Bruder jetzt wieder anziehen. Seine Kleidung dürfte trocken sein.«
    »Das ist sie – und sogar warm«, erklärte Frauke und nahm die Anziehsachen herab.
    Lothar drehte den Jungen auf den Bauch, um nachzusehen, ob sein Rücken gelitten hatte. Im nächsten Augenblick zuckte er zusammen und stellte sich so hin, dass er Helms Gesäß verdeckte. Der Junge war vergewaltigt worden, und es gab nur zwei, die dies getan haben konnten. Freiwillig hatte er sich Faustus und Isidor gewiss nicht hingegeben, denn sonst hätten ihn diese nicht betrunken machen müssen. Am meisten schockierte Lothar jedoch,

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