Flammen des Himmels
war er zu keinem Ergebnis gelangt.
7.
E in Klopfen an der Tür weckte Lothar. Noch während er nach seinem Dolch tastete, hörte er Fraukes Stimme.
»Lotte, bist du wach?«
»Ja, diesmal bin ich es«, antwortete er und kroch aus dem primitiven Bett. Sein Patient schlief immer noch, aber sein Fieber schien gesunken zu sein. Lothar nahm sich nicht die Zeit, genauer nachzusehen, sondern ließ Frauke ein.
Obwohl diese sich ein zweites Kleid übergeworfen und ein dickes Schultertuch gewählt hatte, fröstelte sie. »Ich war in Sorge, als du nicht zum Brunnen gekommen bist«, sagte sie mit einem scheuen Lächeln.
»Ist es schon so spät?« Lothar blickte kurz zur Tür hinaus. Es war ein heller, aber kalter Februartag, und er musste die Augen zusammenkneifen, weil der über Nacht gefallene Schnee in der Sonne glänzte.
»Morgengrauen ist es auf jeden Fall nicht mehr«, sagte er mehr für sich als für Frauke bestimmt. Dann wollte er seinen Eimer nehmen, um Wasser zu holen. Doch da wies Frauke auf einen vollen Eimer, den sie draußen vor die Tür gestellt hatte.
»Ich dachte, wenn ich schon komme, könnte ich dir das Wasser mitbringen. Immerhin hast du jetzt auch noch meinen Bruder am Hals.«
»Machen sich deine Eltern Sorgen um ihn?«
Frauke zuckte mit den Achseln. »Mutter hat gar nichts gesagt und Vater nur gemeint, er wird ihm für das Streunen den Lederriemen überziehen. Wie geht es ihm?« Sie kniete neben dem Bett nieder und legte die Hand auf Helms Stirn. Hatte sie sich in der Vergangenheit öfter über ihren Bruder geärgert, so war dieses Gefühl ganz der Sorge um ihn gewichen.
»Er hat Fieber!«, rief sie erschrocken.
»Nicht mehr so schlimm wie in der Nacht«, sagte Lothar, um sie zu beruhigen. »Aber es ist gut, dass du gekommen bist. Helm ist ganz durchgeschwitzt. Wir sollten ihn ausziehen und ihm etwas anderes überstreifen.«
»Ein Kleid etwa, wie du es trägst?«, fragte Frauke mit einem leisen Schnauben.
Lothar musste lachen. »Ich glaube nicht, dass ihm dies gefallen würde. Doch ich habe mir bei meinen Streifzügen durch ausgeplünderte Häuser auch Männerkleidung besorgt. Es hätte ja sein können, dass ich sehr schnell mein Geschlecht wechseln muss.«
»Und was hättest du gesagt, wenn jemand die Sachen bei dir entdeckt?«
»Nur, dass ich die gute Kleidung nicht kaputtgehen lassen wollte. Außerdem würde ich behaupten, dass ich es ins Auge gefasst hätte, eine zweite Ehe einzugehen, und die Kleidung dann für meinen Mann umändern würde.« Lothar lachte erneut.
Aber Frauke schüttelte den Kopf. »Das hätte man dir wenige Wochen vor der erhofften Wiederkehr des Heilands nicht geglaubt. Kannst du überhaupt nähen?«
»Nie gelernt!« Lothars Lachen verlor sich, denn wenn er es genau nahm, hatte er sich verdammt schlecht auf seine Verkleidung vorbereitet.
»Wir sollten uns jetzt um Helm kümmern«, sagte er und holte die zusammengestohlenen Sachen ganz unten aus der Kleidertruhe.
Kurz darauf hatten sie Fraukes Bruder seiner Kleidung entledigt und rieben den schweißnassen Körper mit Tüchern ab. Diesmal sah Frauke nicht in die andere Richtung, sondern musterte neugierig das Dinglein, das ihrem Bruder an einer gewissen Stelle wuchs. Ob es bei Lothar auch so aussah?, fragte sie sich und schämte sich im nächsten Augenblick für diesen Gedanken, der einer sittsamen Jungfer wahrlich nicht geziemte.
Während sie Helm gemeinsam neu ankleideten, blieb ihr Blick an Lothar haften. Was war er für ein Mann?, fragte sie sich. Obwohl er der Sohn eines engen Vertrauten des Fürstbischofs war, hatte er ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihr das Leben gerettet, und nun befand er sich als Frau verkleidet in dieser entsetzlichen Stadt, um die Ketzer zu beobachten.
Im ersten Augenblick erschrak sie, weil sie Matthys und die anderen Täuferpropheten als Ketzer bezeichnet hatte. Doch wie anders sollte sie diese Leute nennen? Wahre Christenmenschen waren die Anführer ihrer Glaubensgemeinschaft gewiss nicht. Immerhin hatte Jesus Christus die Liebe zum Nächsten gepredigt, und nicht das Schwert, wie Matthys es tat.
»So, ich glaube, jetzt können wir ihn ruhen lassen.«
Lothars Worte rissen Frauke aus ihren Gedanken. Sie nickte, zog ihrem Bruder die Decke hoch bis zum Kinn und legte ihm noch einmal die Hand auf die Stirn. Diese war warm, aber nicht heiß.
»Wenn er aufwacht, dürfte er fürchterliche Kopfschmerzen haben«, fuhr Lothar fort. »Vielleicht ist es ihm eine Lehre, und er merkt sich,
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