Flammen des Himmels
zornig wurde.
»Jetzt nimm dich zusammen! Du kannst Lotte nicht einfach deine Pflege aufbürden. Zu Hause können Silke und ich uns dabei abwechseln.«
»Ihr kümmert euch aber um mich und überlasst mich nicht der Holländerin?«
»Natürlich kümmern wir uns um dich. Und nun komm!« Frauke half ihrem Bruder auf, zog ihm den Mantel über, den sie mitgebracht hatte, und fasste ihn unter den Achseln. Zusammen mit Lothar schaffte sie ihn durch die Tür und schob ihn dann in die Richtung, in der ihr ungeliebtes Zuhause lag.
Helm fröstelte, als er in die Kälte kam, hielt aber, auf Lotte und seine Schwester gestützt, durch, bis sie das schöne Haus erreichten, das seine Familie derzeit bewohnte. An der Tür wurden sie von Silke erwartet, die ihren Bruder halb ängstlich und halb hoffnungsvoll musterte.
»Geht es dir wieder besser?«, fragte sie.
»Eher nicht gut«, antwortete Helm wehleidig.
Obwohl er sich bei dem Zwischenfall nur eine leichte Erkältung zugezogen hatte, kränkte es ihn noch immer, dass er Faustus und Isidor auf den Leim gegangen war. Er ließ sich jedoch von seinen Schwestern und Lothar in seine Kammer bringen, trank von dem warmen Würzwein, den Silke zubereitet hatte, und aß ein Stück Wurst ohne Brot.
»Gute Besserung«, wünschte ihm Lothar noch, verabschiedete sich dann und ging zur Tür. Als er auf den Flur trat, kam ihm Katrijn entgegen. Diese gönnte ihm nur einen kurzen Blick und brüllte dann nach oben, dass sie nicht daran denke, Helm zu pflegen, da er sich seine Krankheit durch sein Ausbleiben über Nacht selbst zuzuschreiben habe.
Kopfschüttelnd verließ Lothar das Haus und kehrte in seine Hütte zurück. Wie von den Täuferobersten befohlen, hatte er die Tür nicht verschlossen. Als er jetzt eintrat, überraschte er einen Mann, der sein Bett auseinandergerissen hatte und gerade dabei war, die Truhe durchzusuchen, die er sich bei seinen Streifzügen durch die Stadt angeeignet hatte.
»Was soll das?«, fragte er wütend und musste sich zwingen, dabei nicht zu männlich zu klingen.
»Es ist meine Pflicht, nachzusehen, ob alles abgeliefert ist, wie der Prophet es befohlen hat«, antwortete der Kerl ungerührt und riss die Kellerklappe auf. Als er mit einem Stock nach unten stieß, glaubte Lothar sich bereits verraten. Doch traf der Stock die Erde an einer Stelle, an der ein Topf stand, der mit einer Steinplatte zugedeckt war, und es gab nur einen dumpfen Ton.
»Da ist fester Boden drunter«, brummte der Mann, stand auf und ging zur Tür. Bevor er die Hütte verließ, drehte er sich noch einmal um.
»Das soll ich noch verkünden: Morgen bei Sonnenaufgang hast du dich am Ludgeritor zu melden. Wir müssen die Vorstadt niederreißen, um freies Schussfeld für die Kanonen zu haben. Dabei werdet auch ihr Weiber mithelfen!«
»Ich werde kommen«, versprach Lothar und schloss hinter dem Eindringling die Tür. Als er jetzt Papier, Tintenfass und Bleistift in die Hand nahm, hatte er seinem Vater sehr viel zu berichten.
10.
D raas beneidete seine Kameraden, die auf dem Gutshof zurückbleiben und sich an den Lagerfeuern wärmen durften, während er bei Schnee und Eis an den Ufern der Aa entlangstapfen und nach Flaschen suchen musste, die der Fluss mit sich trug.
Jeden Tag ging es so, und er wünschte sich, Moritz würde einen anderen mit diesem Auftrag losschicken. Doch sein Freund dachte nicht daran. Es sei wichtig und vor allem geheim, hatte er ihm erklärt und gemeint, dass er damit in der Wertschätzung ihrer Auftraggeber steigen würde.
»Ein Dach über dem Kopf und ein warmes Feuer wären mir lieber«, murrte Draas, während sein Blick über den träge fließenden Fluss schweifte. Teilweise hatte sich eine feste Eisdecke gebildet. Wenn eine Flasche mit einer Botschaft dort hineingespült wurde, würde man sie erst nach der Schneeschmelze im Frühjahr finden. Da die Nachricht jedoch wichtig sein könnte, wäre dies fatral gewesen.
Noch während er mit seinem Schicksal haderte, zuckte Draas zusammen. Dicht am gegenüberliegenden Ufer schwamm tatsächlich eine Flasche. Er streckte die Stange mit dem Netz aus, mit der er bisher die Flaschen eingefangen hatte, doch diesmal war sein Werkzeug zu kurz.
Einen Augenblick lang überlegte Draas, ob er die Flasche einfach weiterschwimmen lassen sollte. Vielleicht wurde sie auf ihrem weiteren Weg an einer Stelle angespült, an der er leichter an sie herankam. Sein Pflichtgefühl war jedoch stärker. Daher stieg er in die eiskalte Flut,
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