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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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allen anderen Teilen der Stadt wurden die neu getauften Männer und Frauen zur Lambertikirche getrieben. Während Frauke die Zähne zusammenbiss, zitterte ihr Bruder vor Angst, umso mehr, als auf einmal Faustus und Isidor neben ihm auftauchten. Die beiden musterten ihn verstohlen, denn seit jener Nacht hatten sie ihn weder gesehen noch etwas von ihm gehört. Faustus wollte ihn schon ansprechen, als Bockelsons Stimme aufklang.
    »Alle Neugetauften haben ihre Waffen und Kleider abzulegen. Wer es nicht tut, ist von Gott verflucht und wird die gerechte Strafe erhalten.«
    Noch während seiner letzten Worte rissen sich die Ersten die Wämser und Hosen vom Leib. Helm, Isidor und Faustus zogen sich ebenfalls bis aufs Hemd aus und betraten barfuß die eiskalte Kirche.
    »Bekennt eure Sünden und legt euch flach auf den Boden«, befahl Bockelson.
    Es waren um die dreihundert Männer, die sich in Sankt Lamberti auf die eisigen Steinplatten warfen. Schon bald zitterten die Ersten vor Kälte, während mehrere Prediger ihnen und dem in der Kirche und auf dem Marktplatz zusammengelaufenen Volk ihre Sünden vorhielten.
    Silke und Lothar war es gelungen, einen Platz in der Kirche zu finden. Nicht weit vor ihnen stand Frauke, die sich nun ebenso wie die anderen neu getauften Frauen ihrer Kleider, der Schuhe und der Strümpfe entledigen musste. Im Gegensatz zu den Männern blieb es den Frauen erspart, sich auf den kalten Boden legen zu müssen. Dennoch war die Situation auch für sie kaum zu ertragen. Die Worte der Prediger prasselten anklagend auf sie hernieder, und die scharfen Waffen in den Händen der Söldner jagten allen Angst ein.
    Zuletzt wusste keiner mehr, wie lange das üble Spiel schon dauerte. Um Silke und Lothar herum ergingen sich die Umstehenden in Mutmaßungen, was mit den Neugetauften geschehen sollte.
    »Wahrscheinlich werden sie ebenfalls aus der Stadt getrieben. Das hat dieses Gesindel nicht anders verdient«, erklärte Mieke Klüdemann boshaft.
    In gewisser Weise hoffte Lothar sogar, dass es dazu kam. Damit wäre wenigstens Frauke in Sicherheit. Dann aber fragte er sich, wie diese Menschen draußen überleben sollten, wenn Knipperdolling und die anderen Täuferführer sie in ihrer Verbohrtheit ohne Geld und nur mit dem Hemd bekleidet aus der Stadt jagten.
    Noch während er rätselte, hob Bockelson beide Arme, als wolle er den Anwesenden den Segen spenden. »Nun seid ihr endgültig in unsere Gemeinschaft aufgenommen. Kehrt jetzt an eure Arbeit zurück und wisst, dass unsere Augen über euch wachen werden.«
    Die am Boden liegenden Männer konnten es kaum glauben, ungeschoren davonzukommen. Der Erste stand auf und streckte Matthys die Arme entgegen. »Oh großer Prophet, ich danke dir, dass du mich an der Hand genommen und dem wahren Glauben zugeführt hast!«
    Andere folgten seinem Beispiel und stimmten ebenfalls einen Lobgesang auf Jan Matthys an.
    Einer schüttelte jedoch ärgerlich den Kopf. »War es wirklich nötig, uns so zu quälen?«
    Kaum hatte er es gesagt, da stürmte auch schon Knipperdolling mit dem Schwert in der Hand auf ihn zu. In höchster Angst rannte der Mann mit bloßen Füßen und noch im Hemd aus der Kirche. Knipperdolling folgte ihm. Jedem war klar, er würde ihn nicht entkommen lassen.
    »Der Mann will immer wieder Blut sehen«, flüsterte Frauke, die zu Lothar getreten war. Dann bat sie ihre Schwester, ihr beim Ankleiden zu helfen, da ihre Glieder in der Kälte so steif geworden waren, dass sie kaum noch ihr Kleid festhalten konnte.
    »Umso wichtiger ist es, nicht aufzufallen.«
    Lothars Rat galt sowohl Frauke als auch ihren Geschwistern. Es war nicht zu übersehen, dass Knipperdolling und die anderen Anführer die Macht über die Menschen in der Stadt genossen. Ihr Wort entschied über Leben und Tod, denn für sie galten weder Gesetze noch die Zehn Gebote, von denen eines lautete: Du sollst nicht töten.
    Der Tod aber stand wie ein dunkler Schatten über Münster, und die Bedrohung ging weniger von den bischöflichen Truppen aus denn von den fanatischen Männern, die für jede Abweichung von ihrer Lehre nur ein Urteil kannten, nämlich das Schwert.
    »Ich weiß nicht, ob ich heute noch arbeiten kann«, jammerte Helm. »Ich bin so durchgefroren, dass ich statt eines warmen Herzens einen Eisklumpen in der Brust fühle.«
    »Beim Arbeiten wird dir schon wieder warm«, antwortete Frauke, um ihn aufzumuntern. Dabei zitterte sie nicht weniger als ihr Bruder.
    »Los jetzt! Die Verteidigungswälle

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