Flammen des Himmels
würde der Fürstbischof früher oder später scheitern und sein Herrschaftsgebiet Burgund überlassen. Sobald spanische Truppen vor Münster lagen, würde er als Vertreter des Heiligen Vaters in Rom den Einfluss erhalten, der nötig war, um alle Ketzer in Münster und darüber hinaus zu vernichten.
14.
D as Osterfest ist nicht mehr fern«, sagte Frauke nachdenklich.
Sie saßen zu viert in Lothars Hütte, da sie, Silke und Helm es zu Hause kaum noch aushalten konnten. Katrijn zählte zu den glühendsten Verehrern der holländischen Propheten, und die Geschwister trauten ihr zu, jedes falsche Wort sofort an deren Schergen weiterzugeben. Doch wer hier in dieser Stadt auch nur ein Haarbreit von dem Weg abwich, den der Prophet vorgab, für den gab es allein eine Strafe, und die vollzog Bernd Knipperdolling mit dem Schwert. Mehr als ein Dutzend Männer und Frauen, die sich gegen die Fronarbeit an den Wällen und die ihnen unzureichend dünkende Zuteilung der Nahrungsmittel beschwert hatten, waren bereits auf diese Weise hingerichtet worden.
»Nach Ostern ist diese Plackerei endlich vorbei, und der Heiland wird uns in eine herrliche Zukunft führen!« Zwar war Helm der Glaube daran bereits abhandengekommen, doch ein Teil von ihm hoffte immer noch, dass sich die Prophezeiungen von Jan Matthys und einiger anderer Täuferführer erfüllen würden.
Im Gegensatz zu ihm erwarteten Frauke und Lothar ein für alle sehr ernüchterndes Osterfest und hofften, dass die radikale Gruppe um Jan Matthys durch deren enttäuschte Anhänger gestürzt werden würde und vernünftigere Leute das Sagen bekämen.
»Ja, bald ist Ostern«, warf Silke ein. »Nur noch wenige Tage, dann wird sich entscheiden, ob Jan Matthys wirklich ein Heiliger und ein Prophet ist – oder doch nur ein aufgeblasener Lügner.«
Lothar wiegte nachdenklich den Kopf. »Ich nehme nicht an, dass er lügt. Meiner Meinung nach glaubt er an das, was er vorhersagt. Doch der Ostertag wird darüber entscheiden, ob Gott ihm dies eingegeben hat …«
»… oder der Teufel!«, fiel Frauke ihm ins Wort.
Die Todesurteile, mit denen Matthys, Bockelson und Knipperdolling so rasch bei der Hand waren, erschreckten sie, zumal viele dieser Menschen aus nichtigsten Gründen hingerichtet worden waren. Da eine solche Bemerkung Frauke ebenfalls auf den Richtplatz bringen konnte, warf Lothar ihr einen mahnenden Blick zu und deutete verstohlen auf Helm.
Frauke wusste jedoch besser als er, dass ihr Bruder sich innerlich längst von dem Propheten und dessen Handlangern losgesagt hatte. Bei der harten Arbeit und vor allem angesichts der Tatsache, dass Bockelson die beiden Studenten Faustus und Isidor in sein engeres Gefolge aufgenommen hatte, war Helms Begeisterung für das neue Jerusalem geschmolzen wie Schnee in der Sonne.
Zudem bedrückte ihn etwas anderes. »Faustus hat mich heute Morgen aufgefordert, wieder zu ihm und Isidor zu kommen. Er hätte von Bockelson einen sehr guten Wein erhalten, der mir gewiss schmecken würde.«
»Das tust du nicht!«, rief Frauke empört.
»Der Teufel soll die Kerle holen!« Lothar hatte geglaubt, die beiden würden es nicht wagen, ihr verderbliches Spiel weiterzutreiben. Doch da sie sich nun unter Bockelsons Schutz wähnten, brachen sich ihre alten Gelüste erneut Bahn.
»Helm kann nicht zu den beiden gehen. Nicht noch einmal!«, rief Silke erregt.
»Das weiß ich selbst«, antwortete Lothar. »Uns muss nur ein Grund dafür einfallen, warum er es nicht tut.«
»Wenn es nicht anders geht, klage ich sie als Sodomisten an«, sagte Helm.
Lothar schüttelte den Kopf. »Damit du von Knipperdolling geköpft wirst? Die beiden Schurken werden dich bei Bockelson als Verleumder hinstellen. Nein, da muss uns etwas anderes einfallen.«
»Und was?«, fragte Frauke heftig, die die Unverfrorenheit der beiden Studenten kaum fassen konnte.
»Notfalls muss Helm fliehen«, schlug Silke vor.
»Dafür werden die Tore zu gut bewacht. Wir könnten ihn höchstens des Nachts mit einem Seil die Mauer hinablassen, aber dann müsste er noch die beiden Gräben und den Wall überwinden. Helm, du solltest dich bis Ostern von den beiden Kerlen fernhalten, denn nachher werden sie wohl kaum noch dazu kommen, dir etwas anzutun«, sagte Lothar.
Sofort schämte er sich seiner Worte, denn er hatte das Gefühl, Frauke und ihren Bruder im Stich zu lassen.
»Ich fürchte, die beiden werden nicht so leicht aufgeben«, wandte Frauke besorgt ein.
»Dann muss uns rasch etwas
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