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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der in seinem Kleid wie eine leidlich hübsche, aber etwas hagere Frau aussah, und dann Frauke. »Beide sind fremd hier und sind erst mit diesen Leuten gekommen«, knurrte er und wies mit dem Kinn auf das Podium, auf dem Bockelson und Dusentschuer eben die Boten bestimmten, welche sie aus Münster hinausschicken wollten.
    Zu Lothars Verwunderung drängte auch Faustus sich dort vor. »Verzeih, oh großer Prophet, doch auch mich drängt es, zu den Brüdern zu reisen und diese aufzurufen, sich uns anzuschließen!«, rief der Student Bockelson zu.
    Dieser musterte ihn mit einem kalten Blick. »Du bist doch einer der neuen Brüder und unseren Gefährten in der Ferne unbekannt. Daher können wir dich nicht zu ihnen schicken.«
    »Ihr habt doch gewiss ein Losungswort, ein Zeichen!« Faustus umklammerte den Rand des Podiums und sah flehend zu dem Propheten empor. Aber er konnte Bockelson nicht umstimmen.
    »Die Boten sind unserem Bruder Dusentschuer durch Gott genannt worden, und du gehörst nicht dazu. Kehre also an den Platz zurück, der dir zugewiesen worden ist!« Bockelson beachtete Faustus nicht mehr, sondern umarmte die ausgewählten Boten und erklärte ihnen, dass sie unter dem Schutze Gottes, Jesu Christi und des Heiligen Geistes reisen würden.
    Bockelson sprach noch eine Weile weiter, doch was er sagte, ging an Faustus vorbei. Verzweifelt überlegte der ehemalige Student, was er tun sollte. Er war von seiner Universität geflohen, als seine Neigung zu Knaben ebenso ruchbar wurde wie seine Bereitschaft, seine Befriedigung auch durch Zwang zu erreichen. In seiner Angst, gefasst und als Sodomit auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden, hatte er sich mit seinem Freund Isidor nach Münster gerettet. Aber Isidor war tot und er allein in einer Stadt, die von Menschen beherrscht wurde, mit denen ihn im Grunde nichts verband. Selbst der Glaube an eine Wiederkehr Christi war ihm abhandengekommen, nachdem sich Jan Matthys’ Weissagung als falsch herausgestellt hatte. Nun wollte er nur von hier fort und hatte sich deshalb als Bote gemeldet.
    Mit einem Mal sah er Helm Hinrichs neben sich stehen. Dieser ballte die Fäuste, wagte es aber nicht, inmitten der Menge eine Schlägerei anzufangen. Die Verachtung in seinem Blick ließ Faustus jedoch schrumpfen.
    »Helm, wir sind doch Freunde!«, jammerte er.
    »Freunde? Nach dem, was du und dein sauberer Kumpan mir angetan habt? Ihr habt mich wie Abfall in den Dreck geworfen!«
    Da Helm immer noch so aussah, als wolle er zuschlagen, streckte Faustus abwehrend die Hände aus. »Bitte, hör mir doch zu! Ich habe es nicht böse gemeint, wirklich nicht. Es war Isidor …«
    »Lügner!«, fiel Helm ihm ins Wort. »Du hast mich aufgefordert, mit euch zu kommen, und mich betrunken gemacht.«
    »Es sollte doch nur ein Spaß sein«, sagte Faustus im Versuch, sich zu verteidigen.
    »Für diesen Spaß danke ich!« Helm wollte gehen, doch da griff Faustus nach seinem Ärmel und hielt ihn fest.
    »Bitte verzeih mir! Ich wollte dir nicht schaden. Ich … ich schäme mich so. Außerdem habe ich Angst.«
    Verwundert musterte Helm ihn. Bislang hatte er den großgewachsenen, bulligen Faustus für jemanden gehalten, der mutig und forsch durchs Leben schritt. In diesem Moment aber erkannte er, dass dessen Stärke nur gespielt gewesen war und nun ein sehr unsicherer Mensch vor ihm stand, der nicht weiterwusste. Gegen seinen Willen empfand er Mitleid mit ihm.
    »Also gut, ich gehe mit dir, und wir reden. Doch wage es nicht, Dinge zu tun, die mir nicht passen!«
    Die Warnung war deutlich, dennoch atmete Faustus auf. »Ich danke dir! Seit Isidors Tod bin ich so allein.«
    »Es tut mir auch leid um ihn, genau wie um jeden anderen, der in diesem verdammten Krieg bereits gestorben ist oder noch sterben wird!« Helm fühlte, dass sich sein Verhältnis zu Faustus gewandelt hatte. Nun war dieser nicht mehr der Anführer, sondern er selbst. Daher reichte er ihm die Hand.
    »Christus hat gesagt, man soll seinen Feinden vergeben, also vergebe ich auch dir!«
    Als Faustus ihn ansah, geschah dies ohne Hintergedanken. Für den Studenten war es eine Erleichterung, jemanden gefunden zu haben, der ihm zuhören wollte und – was ihm noch wichtiger erschien – bereit war, ihm Mut zuzusprechen.

7.
    D ie letzten Botschaften seines Sohnes hatte Magnus Gardner so gedeutet, dass der Druck auf Münster aufrechterhalten und sogar noch gesteigert werden müsse. Daher erteilte er dem Fürstbischof den Rat, die Schanzen

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