Flammen des Himmels
näher an die Stadt heranzuführen und alles für einen Sturm vorzubereiten.
»Die Ketzer müssen sehen, dass wir fest entschlossen sind, die Stadt einzunehmen. Dies mag die vernünftigeren Köpfe dazu bewegen, sich von diesem holländischen Schneider und Schankwirt abzuwenden, der sich Jan van Leiden nennt, und uns die Tore zu öffnen«, erklärte Gardner dem Fürstbischof.
Dieser nickte verbissen. »Lieber wäre es mir, es käme so, als dass die Landsknechte die Stadt erobern müssten. Gerwardsborn hetzt die Männer auf, alle niederzumachen, die sich noch in der Stadt aufhalten.«
»Ich werde meinen Sohn retten und so viele andere Menschen, die keine oder nur geringe Schuld auf sich geladen haben, wie es möglich ist – und wenn ich den Inquisitor mit eigenen Händen erwürgen müsste!« Gardner klang düster, aber man sah ihm an, wie hilflos er sich fühlte.
Er hatte gehofft, mit einigen Maßnahmen Gerwardsborns Einfluss schmälern zu können. Doch der Inquisitor war ein hartnäckiger Gegner und hatte, anstatt zurückzustecken, die Landsknechte gegen die Menschen in Münster beeinflusst. Sowohl die katholischen Söldner wie auch die Lutheraner hassten und verachteten die Wiedertäufer, da diese von sich behaupteten, allein des Heils des Himmels würdig zu sein, während alle anderen in die Hölle fahren würden. Daher war es Jacobus von Gerwardsborn leichtgefallen, die Männer aufzuhetzen.
»Ihr seid so ernst, Gardner«, sagte Franz von Waldeck, um das entstandene Schweigen zu brechen.
»Wir stehen vor ernsten Tagen und Wochen«, antwortete Lothars Vater. »Mein Sohn gab mir Nachricht, dass Jan Bockelson van Leiden und Bernd Knipperdolling Jan Matthys’ Tod dazu benutzt haben, die absolute Macht in Münster zu ergreifen. Lothar befürchtet noch Schlimmeres, denn für beide zählt ein Leben so gut wie nichts. Wer auch nur ein Wort gegen sie spricht, wird hingerichtet. Bald wird die Angst die Menschen in Münster stärker an ihre Anführer binden als ihr Glaube.«
»Ich hoffe, die vernünftigen Bürger öffnen Uns die Tore, auf dass Wir die Anführer der Ketzer fangen und bestrafen können«, erklärte Waldeck mit Nachdruck.
»Das werden sie nicht tun, solange Gerwardsborn die Söldner dazu auffordert, ein Blutbad anzurichten. Auch wenn es in Münster noch etliche gibt, die gegen Bockelson und seine Kamarilla sind, werden sie nicht den Tod vieler Freunde oder gar den eigenen in Kauf nehmen, um die Ketzer zu stürzen. Ich bitte Euch, Eure Hoheit, bereitet dem Wahnsinn ein Ende und schickt Gerwardsborn nach Rom zurück.«
Franz von Waldeck lachte freudlos auf. »Wenn Wir das könnten, hätten Wir es längst getan. Doch der Inquisitor beruft sich auf den Papst und auf Kardinal Albrecht von Brandenburg. Letzterer hat ihn sogar schriftlich zu seinem Gesandten in dieser Sache ernannt.«
»Dann sehe ich sehr dunkle Zeiten auf uns zukommen.«
»Die dunklen Zeiten sind bereits da, Gardner. Ein Fähnlein Mainzer Landsknechte hat mehrere Bewaffnete, welche die Stadt verließen, einfach niedergehauen, ohne ihnen auch nur die Frage zu stellen, ob sie sich ergeben wollen oder nicht.«
»Bei Gott, das darf doch nicht wahr sein!« Gardner schlug erschrocken das Kreuz. Dann aber sah er den Fürstbischof bittend an. »Ihr müsst dieses sinnlose Morden unterbinden, Eure Hoheit! Sonst liegen wir in einem Jahr noch vor dieser Stadt. Die Menschen dort werden sich mit Zähnen und Klauen verteidigen, weil ihnen von unserer Seite nur der Tod droht.«
»Wir werden tun, was in Unserer Macht steht!«, sagte Franz von Waldeck leise und merkte selbst, wie mutlos das klang. Gegen das Wühlen des Inquisitors halfen auch Befehle und Erlasse nicht. Gerwardsborn wollte alle Menschen, die sich in Münster aufhielten, tot sehen und würde nicht eher ruhen, bis er dieses Ziel erreicht hatte. Einen Augenblick lang fragte der Fürstbischof sich, ob er den Inquisitor nicht umbringen lassen sollte. Doch dafür hätte er einen Mann gebraucht, der sich weder vor der römischen Kirche noch vor einer möglichen Strafe des Himmels fürchtete. Da er keinen solchen wusste, wechselte er das Thema.
»Sprechen wir über die Belagerung, Gardner, und wie wir sie vorantreiben können. Steding schlägt vor, gegenüber dem Ludgeritor Schanzen zu errichten und dort den Außengraben zu überwinden.«
Gardner überlegte kurz und stimmte dann zu. »Steding versteht sein Handwerk, und dieser Plan scheint mir erfolgversprechend zu sein. Wenn es uns gelingt,
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