Flammen des Himmels
aufstellte.
»Es soll nicht zu Gewalttätigkeiten kommen«, antwortete Bockelson, obwohl er froh war, notfalls auf die Söldner zurückgreifen zu können. Noch immer gab es in der Stadt Leute, die mit dem Mund zu seinen Anhängern gehörten, es aber insgeheim mit dem Bischof hielten.
Nach mehreren Gebeten, die alle Anwesenden laut nachsprachen, trat Bockelson vor und hob beide Arme zum Himmel. »Gott«, so rief er mit lauter Stimme, »hat zu mir gesprochen. Was wir bisher getan haben, ist wohlgetan. Dennoch befiehlt der Herr im Himmel, dass nicht alles so bleiben kann, wie es war. Aus diesem Grund erkläre ich den Rat der Stadt für aufgelöst und die Mitglieder des Rates samt den beiden Bürgermeistern Bernd Knipperdolling und Gerd Kibbenbrock zu schlichten Brüdern in unserer Gemeinschaft.«
»Was hat er denn jetzt vor?« Die Worte wurden nur geflüstert, doch als Lothar und Frauke, die wie gute Freundinnen beieinanderstanden, sich umdrehten, erkannten sie in dem Sprecher den Bürger Hermann Ramert.
»Der will nur seine Holländer und Friesen endgültig an die Macht bringen. Wir hätten die Tore vor diesem Gesindel verschließen sollen«, erklärte Heinrich Gresbeck, ein anderer Altbürger, der Frauke und Lothar bis jetzt als besonders eifriger Wiedertäufer aufgefallen war.
Unterdessen setzte Bockelson seine Rede fort. »Gott befiehlt uns, der Heiligen Schrift gemäß zu leben, und beauftragt mich, zwölf Apostel zu ernennen, welche sein Volk leiten und über es richten werden.«
Unruhe erfasste die Menge. Bislang hatten der Rat und die Gilden die Menschen vertreten. Auch wenn es dabei Reibereien gegeben hatte, so waren es angesehene, alteingesessene Bürger gewesen, die jeder kannte. Nicht wenige teilten Gresbecks Befürchtung, Bockelson könnte nun nur noch Holländer und Friesen als Apostel berufen. Doch Bockelson wusste genau, dass er damit die einheimischen Münsteraner und die aus dem Umland zugezogenen Täufer gegen sich aufbringen würde. Als er die Namen der Erwählten nannte, gehörten zwar einige seiner Landsleute dazu, die Mehrheit aber stammte aus Münster. Trotzdem erhielten einige Holländer zum ersten Mal über den ersten Propheten hinaus selbst Macht in der Stadt.
Lothar war froh über diese Entwicklung. Auch wenn sich etliche Bürger aus Münster den Wiedertäufern angeschlossen hatten, so besaßen sie immer noch ihren alten Bürgerstolz und würden es nicht hinnehmen, von Ortsfremden beherrscht zu werden. Daher beschloss er, erneut mit Ramert zu reden. Auch wollte er Gresbeck ansprechen, der so aussah, als sei er mit der jetzigen Situation äußerst unzufrieden.
Während er hoffte, einige Bürger zum Widerstand gegen Bockelsons Machtergreifung bewegen zu können, war der Prophet selbst erleichtert, weil die Menge seine Rede nicht nur hinnahm, sondern in Hochrufe auf ihn und die von ihm ernannten Apostel ausbrach. Die Angst, über Jan Matthys’ Tod könnte die Gemeinschaft zerbrechen, hatte ihn etliche Tage in ihren Klauen gehalten. Nun aber galt es, den errungenen Erfolg auszubauen.
»Unserem Bruder Johann Dusentschuer, der wie ich und unser Bruder Knipperdolling das Ende unseres Bruders Matthys vorhergesehen hat, wurde eine neue Erleuchtung zuteil! Umschlossen von Ungläubigen und Heiden, werden wir das neue Zion errichten und warten, bis Jesus Christus, unser Herr, zu uns herniedersteigt. Es ist der Wille des Herrn, dass wir alle, die rechten Glaubens sind, in dieser Stadt versammeln. Aus diesem Grund befiehlt Gott der Herr durch seinen Diener Dusentschuer, Boten zu unseren Brüdern in fremden Städten auszusenden, auf dass diese zu uns eilen und gemeinsam mit uns die Feinde Gottes bekämpfen.«
Erneut klang Jubel auf, denn angesichts der Söldner und der Reitertruppen, die Franz von Waldeck vor der Stadt versammelt hatte, war den Täufern jede Hilfe recht.
Nur Heinrich Gresbeck zog ein schiefes Gesicht. »Dann kommen noch mehr Holländer und Friesen, und wir Bürger haben überhaupt nichts mehr zu melden.«
»Sei still!«, raunte ihm Hermann Ramert zu. »Hier gibt es zu viele fremde Ohren.«
Sofort drehten Frauke und Lothar sich zu ihm um. »Unsere Ohren müsst ihr nicht fürchten und auch nicht unsere Zungen«, erklärte die junge Frau ernst.
»Frauen, sage ich nur! Verstehen nichts und können nichts.«
Ramert wollte sich abwenden, doch Gresbeck hielt ihn auf. »Sei nicht so voreilig, mein Freund. In unserer Lage ist jede Unterstützung willkommen.«
Ramert sah Lothar an,
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