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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Bürger an, die einst als vernünftig gegolten hatten. Er wusste, dass er damit seinen Hals riskierte. Doch um der Sache willen war er dazu bereit.
    Seine größte Sorge dabei galt Frauke und ihren Geschwistern. Diese galten als enge Freunde von Lotte und würden, wenn man ihn entlarvte, mit in den Abgrund gerissen. Mit Silke und Helm, die insgeheim immer noch hofften, die Weissagungen ihrer Propheten würden sich erfüllen, konnte er darüber nicht reden. Daher wartete er, bis er Frauke wieder in der Frühe am Brunnen traf.
    »Ich muss mit dir sprechen«, sagte er zu ihr.
    »Wir kommen heute Nachmittag zu dir«, antwortete sie ausweichend.
    »Ich meine jetzt und allein!«
    Für ein tugendsames Mädchen war dies eine Zumutung, das war ihm klar, doch anders ging es nicht.
    Frauke wollte schon ablehnen, als sie seinen ernsten Blick bemerkte. Unsicher geworden, fragte sie: »Worum geht es?«
    »Nicht hier«, erklärte Lothar mit einem kurzen Seitenblick auf eine Magd, die nun ebenfalls zum Brunnen kam.
    »Also gut, aber dann wirst du mir das Wasser nach Hause tragen!«
    Frauke empfand ihre Bedingung selbst als lächerlich, doch sie ärgerte sich, weil Lothar zu vergessen schien, dass er ein Mann und sie eine junge Frau war. Andererseits war er der Einzige, dem sie ihre geheimsten Gedanken anvertrauen konnte. Selbst vor ihren Geschwistern durfte sie ihre Zweifel nicht äußern. Beide vertrauten Bockelson, denn Knipperdolling und Johann Dusentschuer hatten erklärt, von Gott dieselben Visionen geschickt bekommen zu haben.
    Gespannt, was Lothar von ihr wollte, folgte sie ihm bis zu seiner Hütte, blieb aber in der offenen Tür stehen, während er eintrat und Holz nachlegte.
    »Komm bitte herein und schließ die Tür. Ich beiße nicht, und ich werde dich auch nicht zu verbotenem Handeln auffordern«, sagte er.
    Mit einem leichten Zögern trat Frauke ein und setzte sich auf einen Stuhl. »Was willst du?«
    »Ich möchte dich und deine Geschwister bitten, nicht mehr zu mir zu kommen. Der Weg, den ich nun einschlagen muss, ist gefahrvoll, und ich will nicht, dass ihr damit in Verbindung gebracht werdet.«
    Frauke lachte hellauf. »Verzeih, aber dafür ist es zu spät! Die ganze Stadt weiß, dass wir mit dir befreundet sind. Was auch geschieht – man wird uns mit dir in Verbindung bringen, was auch immer du tust.«
    »Dann verlasst die Stadt! Ich habe einen Weg erkundet, auf dem ihr ungesehen hinausgelangen könnt.«
    Frauke lachte erneut, aber diesmal klang es bitter. »Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir diese Stadt niemals betreten. Doch nun sind wir einmal hier. Meine Mutter und mein Vater werden Münster gewiss nicht verlassen, denn sie glauben fest an die Erscheinung des Herrn. Silke und Helm bewegen Zweifel, aber auch sie werden bleiben, um sich die Hoffnung zu erhalten, an die sie sich klammern. Ich selbst bin ganz und gar nicht überzeugt, dass die Visionen der Herren Knipperdolling, Bockelson und Dusentschuer wahrhaftig sind, aber ich werde meine Eltern und meine Geschwister nicht im Stich lassen.«
    Traurig senkte Lothar den Kopf. »Eigentlich habe ich es nicht anders erwartet. Aber ich kann nicht länger zusehen, sondern muss versuchen, diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten.«
    »Ich werde dir helfen! Wenn Knipperdolling mir einmal den Kopf abschlagen sollte, soll er Grund genug dafür haben.«
    Frauke blickte Lothar mit leuchtenden Augen an, doch der schüttelte den Kopf.
    »Die Gefahr ist zu groß!«
    »Sie ist für uns beide gleich groß«, antwortete sie. »Wenn ich hier schon sterben muss – und das wird, wenn das Morden hier so weitergeht, unweigerlich der Fall sein –, dann will ich es für den Mann tun, den ich liebe.«
    Das Letzte kam beinahe gegen ihren Willen über Fraukes Lippen.
    Sie nahm Lothars erstauntes Gesicht wahr, überwand die innere Stimme, die sie zur Zurückhaltung drängte, und umarmte ihn. Beinahe scheu drückte sie ihm einen Kuss auf die Lippen und spürte, wie sie errötete.
    »Das musste sein!«, sagte sie mehr zu sich selbst, als sie ihn wieder losließ. »Wir wissen nicht, was der nächste Morgen bringt. Die Welt ist aus dem Lot geraten, und wir sind wie Blätter, die der Sturm vor sich hertreibt. Dennoch sollten wir das wenige an Entscheidung, das uns noch geblieben ist, selbst treffen. Oder bin ich dir so zuwider, dass du dich angeekelt von mir abwendest?«
    Es klang ein wenig enttäuscht, weil Lothar ihren Kuss nicht erwidert hatte. Dabei war sie bereit, notfalls alle

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