Flammen des Himmels
Bedenken beiseitezuschieben, die sie bisher daran gehindert hatten, ihm mehr zu sein als nur eine Freundin.
Lothar starrte einige Augenblicke vor sich hin. In seinen geheimsten Gedanken hatte er gehofft, dass Frauke in ihm mehr sehen würde als nur den jungen Burschen, der sie, ihre Mutter und ihre Schwester gerettet hatte. Schließlich atmete er tief durch und fasste sie bei den Schultern.
»Du bist mir alles andere als zuwider!«
»Aber du hast Silke lieber als mich.« Ein kleiner Teufel zwang Frauke, dies zu sagen.
Energisch schüttelte Lothar den Kopf. »Bei Gott, wie kommst du auf diesen seltsamen Gedanken? Deine Schwester ist gewiss recht hübsch, aber ihr Verstand hält nicht mit ihrem Aussehen Schritt, während du sowohl schön wie auch klug bist.«
»Du hältst mich also für klug?« Frauke gefiel es, dass Lothar ihr Verstand zubilligte, hatte sie doch von ihren Eltern und auch von ihren Geschwistern oft genug gehört, dass es ihr gerade daran mangele.
»Das tue ich!«, antwortete Lothar lächelnd.
Frauke musste kichern. »Du wärst der erste Mann, der sich ein kluges Weib wünscht. Den anderen Männern ist es am liebsten, eine Frau wäre so dumm wie Bohnenstroh. Obwohl, nein – ein wenig Verstand sollte sie schon haben, damit sie nicht zu viel Geld auf dem Markt ausgibt. Noch besser aber sollte sie kochen können. Allerdings weiß ich nicht, ob ich dir in dieser Beziehung genüge.«
»Du hast so oft für mich gekocht, dass ich weiß, wie gut du es kannst!«
Lothar begriff, dass es dem Mädchen weniger um Sinnenlust ging als um eine Verwandtschaft der Seelen. Körperliche Liebe konnte es zwischen ihnen geben, musste es aber nicht. Nun sah er Frauke mit anderen Augen an. War sie bei ihrer ersten Begegnung zwar hübsch, aber noch ein wenig kindlich gewesen, so stand nun eine Frau vor ihm, die ebenso schön wie mutig war. Vor allem aber war sie so, wie er sich seine Ehefrau immer vorgestellt hatte. Einen Augenblick lang dachte er an seinen Vater, der die Tochter eines schlichten Handwerkers und Ketzers als Schwiegertochter mit Sicherheit ablehnen würde. Dann aber schob er diesen Gedanken resolut beiseite. Es war sein Leben, das hier auf dem Spiel stand, und das von Frauke. Ihr gemeinsames Schicksal schmiedete sie fester zusammen als Eisen.
»Es war mir vorbestimmt, dass ich dich retten sollte«, flüsterte er und zog sie in seine Arme.
Frauke schmiegte sich an ihn und blickte ihn mit großen Augen an. »Ich liebe dich! Ich glaube, ich habe mich bereits in dich verliebt, als du mich in Stillenbeck vor dem Inquisitor gewarnt hast. Du warst so anders als die anderen jungen Männer, so sanft und so freundlich. Meine Liebe zu dir wollte ich tief in meinem Herzen bewahren. Doch angesichts der Gefahr und des drohenden Todes konnte ich nicht anders, als sie dir zu bekennen.«
»Was auch immer kommen mag, wir werden es gemeinsam durchstehen und auch gemeinsam in die Zukunft gehen«, sagte Lothar, um ihr und auch sich selbst Mut zu machen. Er küsste sie und brachte sie damit wieder zum Lachen.
»Wenn das die anderen sehen würden! Zwei Frauen, die sich so innig herzen!«
»Wir küssen uns nur, wie die Brüder und Schwestern unserer Gemeinschaft es vor dem Gebet tun«, antwortete Lothar gelassen.
Frauke deutete auf ihre vollen Wassereimer. »Ich muss jetzt noch Hause, sonst wird Katrijn zornig.«
»Schade! Aber wir sehen uns wieder?« Nur widerwillig ließ Lothar Frauke los und hob die beiden Eimer auf.
»Wir sehen uns wieder, und irgendwann werden wir auch Mann und Frau. Zwar gibt es hier keinen Pfarrer, zu dem wir gehen können, damit er uns traut, doch Gott wird uns gewiss verzeihen.« Frauke blitzte ihn entschlossen an. Ihr Leben mochte kurz sein, und daher wollte sie, dass ihre Liebe für beide die Erfüllung fand.
6.
A m Nachmittag ließ Jan Bockelson die Bewohner zusammenrufen. Er stieg auf das Podium, das nach dem vergeblichen Warten auf Christi Wiederkehr nicht weggeschafft worden war, und blickte über die Menge. Seine Miene war angespannt und grimmig. Als Knipperdolling erschien, atmete er auf, wartete aber, bis auch Johann Dusentschuer auf das Podest geklettert war. Letzterer galt bei seinen Anhängern als einer, der von Gott ebenfalls Visionen erhielt. Daher war es wichtig, dass Dusentschuer bestätigte, was er selbst zu verkünden hatte.
»Wir sind bereit«, sagte Knipperdolling zu ihm und wies dabei unauffällig auf die Rotte Landsknechte, die sich unter Arnos Kommando im Hintergrund
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