Flammen des Himmels
ihm aufgestaut hatte.
»Ich war sechs, als ich zum ersten Mal merkte, dass ich mich mehr zu unserem Stallburschen hingezogen fühlte als zu meiner Kinderfrau. Die empfand ich als abstoßend, obwohl sie sich gewaschen hat und adrette Kleider trug. Der Stallbursche hingegen stank nach Pferden und hatte immer schwarze Ränder unter den Fingernägeln. Trotzdem bin ich ihm nachgelaufen. An einem Winterabend bin ich ihm sogar in den Verschlag über dem Stall gefolgt, in dem er wohnte.
Es war dort unordentlich und düster, doch ich besuchte ihn von da an öfters und lauschte seinen Geschichten. Worum es ging, weiß ich heute nicht mehr. Aber eines Tages, als er betrunken war, wollte er das sehen, was mich zum Mann machte, und mir im Gegenzug seins zeigen.«
Faustus atmete schwer bei dieser Erinnerung, fuhr dann aber in seiner Beichte fort. »Ich ließ es zu, dass er meine Hose öffnete und mein Dinglein in die Hand nahm. Seine Finger waren schwielig und rauh, und doch fühlten sie sich wundersam an. Danach durfte ich sein Ding in die Hand nehmen und es reiben, während er keuchte und mir schließlich etwas glitschig und feucht über die Finger rann.
Er sagte, dies wäre unser Geheimnis, und ich dürfte es niemandem erzählen. Das versprach ich ihm und besuchte ihn immer wieder. Mit der Zeit wünschte ich mir, es würde mehr zwischen uns geschehen, aber dazu ist es nie gekommen.
Als ich später zur Schule geschickt wurde, traf ich Isidor. Er war damals so schmal und zierlich wie ein Mädchen, während ich zu den größten und kräftigsten Jungen zählte. Die anderen verspotteten ihn wegen seiner kleinen Gestalt und quälten ihn. Deswegen verprügelte ich sie und wurde dadurch zu seinem Retter und Freund. Er wollte mir danken, und so bat ich ihn irgendwann, mir zu gestatten, das mit ihm zu tun, was ich mir so sehr wünschte.«
»Das hätte nicht sein dürfen«, wies Frauke Faustus zurecht.
Er hob in einer hilflosen Geste die Arme. »Natürlich nicht! Aber es ist trotzdem geschehen.«
»Und kann jederzeit wieder geschehen.«
»Nein, das wird es nicht!«, rief Faustus entsetzt und wusste doch, dass es ihm schwerfallen würde, der Verlockung auf Dauer zu widerstehen. Eines aber nahm er sich fest vor: So wie bei dem misslungenen Versuch mit Lothar in der Universität oder mit Helm im Winter würde er es nie mehr tun. Wenn es dazu kam, musste es von beiden Seiten freiwillig geschehen.
Helm sah, wie es in Faustus’ Gesicht arbeitete, und fasste seine Schwester am Arm. »Du darfst ihn nicht verfluchen. Zu strafen steht allein Gott zu.«
»Sag das Bockelson und Knipperdolling! Heute ist wieder ein Mann umgebracht worden, weil er es gewagt hatte, ihre Visionen anzuzweifeln!« Obwohl Frauke Faustus noch immer nicht traute, war es ihrem Bruder gelungen, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.
»Wir alle sind Gefangene«, setzte sie traurig hinzu. »Zum einen, weil die bischöflichen Truppen uns umzingelt haben, und zum anderen, weil in der Stadt Männer die Macht ergriffen haben, die es nicht wert sind.«
»Du glaubst also auch nicht an Bockelsons und Dusentschuers Weissagungen!«, schloss ihr Bruder daraus.
»Tust du es?«, lautete ihre Gegenfrage.
Helm wollte schon bejahen, als ihm einfiel, dass sich bereits Melchior Hoffmann, der Begründer ihrer Bewegung, mit seinen Prophezeiungen geirrt hatte und Jan Matthys genauso. »Es wäre schön, wenn Bockelson, Knipperdolling oder Dusentschuer eine Vorhersage machen würden, die sich am nächsten oder übernächsten Tag erfüllt – und nicht über etwas, das jeder halbwegs verständige Mann kommen sieht.«
»Du hast uns Frauen vergessen! Auch wir besitzen Verstand«, schalt Frauke ihren Bruder.
Dieser grinste. »Ich habe lange gezweifelt, ob das bei dir der Fall ist. Aber mittlerweile hast du mich überzeugt. Silke hingegen ist ein freundliches und liebenswertes Ding, aber besonders viel Verstand würde ich ihr nicht zubilligen.«
»Mir hat das Ganze von Anfang an nicht gefallen, schon seit Vater auf einer Reise die Erwachsenentaufe genommen hat und als Wiedertäufer zurückgekehrt ist. Ich glaube, ich habe damals geweint, als er Mutter überredet hat, den alten Glauben abzulegen.«
Frauke war zu jener Zeit noch ein kleines Mädchen gewesen, erinnerte sich aber noch gut daran, dass sie kurz darauf aus ihrem Geburtsort hatten fliehen müssen.
Helm zuckte mit den Schultern. »Jetzt liegt das Kind im Brunnen, und ich habe keine Ahnung, wie wir es wieder
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