Flammen des Himmels
wussten daher noch viel über diese. Allerdings war es vorerst nicht im Sinn des Inquisitors, auch die Anhänger Luthers zu vernichten. Diese waren in seinen Augen irrende Schafe, die er als Hütehund Gottes wieder in den richtigen Pferch treiben musste. Die Wiedertäufer hingegen verweigerten ihren Kindern das Sakrament der Taufe und waren daher dem Teufel verfallen.
»Waren das alle Namen?«, fragte Gerwardsborn, als Mönninck endete.
Dieser nickte mühsam. »Ja, Euer Exzellenz!«
»Mach weiter, Dionys!«
Auf diesen Befehl hin presste der Foltermeister dem Gefangenen erneut das glühende Eisen gegen den Brustkorb.
»Kennst du Hinner Hinrichs?«, fragte der Inquisitor.
»Nein!«, stieß Mönninck hervor, doch sein flackernder Blick verriet ihn.
»Bekenne, dass dieser Mann sich ebenso wie du den falschen Propheten angeschlossen hat, und dir wird Gnade zuteil!«, fuhr Gerwardsborn fort.
Mönninck begriff, dass der Inquisitor nicht eher aufgeben würde, bis er dessen Worte bestätigt hatte oder tot war, und senkte verzweifelt den Blick.
»Ja, Hinrichs ist einer unserer Brüder.«
»Nenne weitere Namen!« Gerwardsborns Stimme klang wie ein Peitschenhieb.
Mönninck hatte nicht mehr die Kraft zu widerstehen und zählte alle auf, die seines Wissens zur Täufergemeinde von Stillenbeck gehörten.
Während der Mönch eifrig mitschrieb, nickte der Inquisitor zufrieden. Er hatte dieses Verhör genauso geführt wie Dutzende vorher. Zunächst war es Magister Rübsams Aufgabe gewesen, den Delinquenten zu zermürben, und dann hatte er selbst die entscheidenden Fragen gestellt. Nun galt es, das Wissen, das er aus seinem Gefangenen herausgepresst hatte, zu verwenden. Aus diesem Grund erteilte er Rübsam und Bruder Cosmas seine Befehle. Anschließend wies er den Foltermeister und dessen Knecht an, Mönninck wieder in seine Zelle zu bringen.
Während er und Rübsam nach oben stiegen, wagte der Magister eine Frage. »Werdet Ihr tatsächlich Mönnincks Leben verschonen?«
Der Inquisitor blieb auf der Treppenstufe stehen und drehte sich zu seinem Gefolgsmann um. »Das Leben habe ich ihm versprochen, bevor er so viele ehrenwerte Bürger dieser Stadt fälschlicherweise der Ketzerei beschuldigt hat. Damit aber hat er diese Gnade verspielt. Jetzt geht es nur noch darum, seine unsterbliche Seele zu retten. Dafür muss er ins Feuer – und zwar bei lebendigem Leib! Er war ein zu großer Sünder und Ketzer, als dass wir ihm die Gnade eines schnellen Todes gewähren könnten.«
10.
E s lag eine seltsame Anspannung über Stillenbeck. Frauke erschien es, als wage niemand mehr zu atmen, solange der Inquisitor in ihren Mauern weilte. Von einer Nachbarin hatte sie erfahren, wie gnadenlos Gerwardsborn bereits in anderen Städten Ketzer verfolgt hatte. Wie ein Bluthund hatte er sich auf die Fährte jener gesetzt, die er für Ketzer hielt, und nicht eher aufgegeben, als bis er sie gefangen und hingerichtet hatte.
Umso gefährlicher erschien es Frauke, noch länger an diesem Ort zu bleiben. Nur zu gut erinnerte sie sich an die erste Flucht in ihrem Leben. Die Mutter hatte Helm auf dem Arm getragen und Silke an der Hand geführt. Sie selbst hatte sich an die Hand der Schwester geklammert und nicht gewagt, diese loszulassen. Hätte sie es getan, wäre sie wahrscheinlich von dem Mob, der zwei Vettern ihres Vaters durch die Straßen getrieben und schließlich erschlagen hatte, ebenfalls umgebracht worden.
Frauke konnte nicht begreifen, weshalb Menschen anderen Menschen so etwas antun konnten. Gott im Himmel war doch um so viel größer, als der kleinliche Geist vieler Leute ihn erscheinen lassen wollte. Dabei dachte sie nicht nur an die Katholiken, deren Priester ihre Gebete nur auf Latein sprechen durften, und die Lutheraner, die unbedingt auf Deutsch beten wollten, sondern auch an ihren Vater und die anderen Mitglieder ihrer Gemeinschaft. Wieso erklärten die eigenen Propheten, dass ausgerechnet in dieser Zeit die Welt untergehen und das Jüngste Gericht folgen sollte? Auch fragte sie sich, ob Gott wirklich alle Menschen, die nicht ihrem Glauben anhingen, verdammen und der Höllenstrafe anheimfallen lassen wollte. Zwar erinnerte sie sich an das Gleichnis von Noah und der Sintflut. Doch damals hatte Gott die Heiden vernichtet, die von ihm abgefallen waren. Die Menschen in der Stadt und im ganzen Land glaubten aber an ihn, und die meisten befolgten seine heiligen Zehn Gebote.
Frauke wusste nicht, was sie von alldem halten sollte. Nur eines
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