Flammen des Himmels
anzuheben, dass sie seinen Inhalt in den Bottich schütten konnte.
Ihre Mutter wurde auf ihr schmerzverzerrtes Gesicht aufmerksam und musterte sie besorgt. »Was hast du?«
»Sie hat Vater vorhin geärgert und dafür eins mit dem Lederriemen übergezogen bekommen«, krähte Helm, der eben aus der Werkstatt gekommen war.
Inken Hinrichs’ Mitleid mit ihrer Tochter schwand. »Da siehst du, wo es hinführt, wenn du Vater immer erzürnst!«, erklärte sie und wies Frauke an, noch mehr Wasser zu holen.
Kaum hatte das Mädchen das Haus wieder verlassen, wandte die Mutter sich kopfschüttelnd an Silke. »Ich weiß mir keinen Rat mehr mit Frauke. Weder Haug noch Helm noch du haben Vater je Widerworte gegeben, wie sie es laufend tut.«
Silke senkte seufzend den Kopf. »Vielleicht sind wir ungerecht zu Frauke. Sie will doch immer nur das Beste für uns. Du darfst nicht vergessen, dass sie noch ein kleines Kind war, als wir das erste Mal aus einer Stadt fliehen mussten. Da ist es natürlich, dass sie Angst hat.«
»Du bist viel zu nachsichtig mit ihr. Gerade weil wir vor den anderen verbergen müssen, dass wir zu der erwählten Schar gehören, die einmal zur Rechten Jesu Christi sitzen wird, dürfen wir keinen Argwohn erregen. Fraukes kopfloses Verhalten wird uns noch einmal verraten.«
Die Mutter strich ihrer älteren Tochter über den Kopf. Dieses Kind entsprach wahrlich dem Bild von einem Mädchen, wie sie es sich wünschte.
Da sah sie Helm herumlungern und fuhr ihn an: »Warum stehst du noch hier herum? Hat der Vater dir keine Arbeit angeschafft?«
9.
J acobus von Gerwardsborn musterte den Gefangenen. Mittlerweile war Berthold Mönninck aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht und sah mit einer Mischung aus Trotz und Angst zu ihm auf. Da der Inquisitor das Verhör sofort beginnen lassen wollte, gab er Magister Rübsam das verabredete Zeichen. Dieser trat auf Mönninck zu und hielt ihm ein Blatt Papier vors Gesicht. Es handelte sich um ein Porträt, welches einer von Gerwardsborns Spionen bei einer Täuferversammlung in Straßburg von dem Mann gezeichnet hatte.
»Gestehst du, Berthold Mönninck zu sein, Schüler des Ketzers und Wiedertäufers Melchior Hoffmann und selbst Ketzer und Wiedertäufer?«, fragte Rübsam mit schneidender Stimme.
»Ich weiß nicht, wie Ihr darauf kommt. Ich bin Peter Spitz, Nadelmacher aus Mainz.«
»Wir könnten einen Boten nach Mainz schicken und nachfragen«, antwortete Rübsam spöttisch. »Da dies aber zu lange dauert, ziehen wir die Folter vor.«
Auf diese Worte hin trat Gerwardsborns Foltermeister vor und zeigte Mönninck seine Instrumente. Da er seine Kunst stets auf Reisen ausübte, hatte er auf eine Streckbank oder ähnlich sperriges Gerät verzichtet. Allerdings verfügte er über ein Kohlebecken für glühendes Eisen, Daumenschrauben, etliche Zangen und schließlich jene Messer, die dünn und scharf genug waren, um einem Menschen damit die Haut vom Körper schälen zu können.
Mönninck wollte die Augen schließen, doch der Foltermeister schrie ihn an: »Mach die Augen auf, Bursche, sonst schneiden wir dir die Lider ab!«
»Das dürft ihr nicht!«, würgte Mönninck hervor.
»Wir handeln im Auftrag des Heiligen Stuhls und mit der Erlaubnis Seiner Majestät, Kaiser Karl V., nach eigenem Recht zu verfahren«, klärte Rübsam den Gefangenen auf.
Nun trat der Inquisitor selbst auf Mönninck zu und sah ihm ins Gesicht. Dieser vermochte Gerwardsborns Blick nicht zu ertragen und schloss erneut die Lider.
»Mach die Augen auf, wenn du sie behalten willst«, fuhr der Foltermeister ihn an.
Als Mönninck nicht gleich gehorchte, fasste er die Wimpern des rechten Oberlides mit einer Hand und schwenkte ein kleines Messer in der anderen.
So rasch hatte Mönninck seine Augen noch nie aufgerissen. Gleichzeitig verfluchte er sein Schicksal, in die Hände von Männern geraten zu sein, denen die Gesetze dieser Stadt und des gesamten Fürstbistums gleichgültig waren.
Dabei würde in wenigen Jahren das Jüngste Gericht anbrechen, und er wollte einer der Auserwählten sein, die Christus willkommen hießen, um an der Seite des Herrn unsterblich zu werden. Einige ihrer Propheten hatten zwar erklärt, dass dies auch für die Seelen der Märtyrer ihrer Gemeinschaft gelten würde, denen Christus einen neuen Leib schenken würde, so dass sie jung und von großer Schönheit unter den Gläubigen wandeln konnten. Doch daran zweifelte Mönninck. Nur dann, wenn er noch am Leben war und den Himmelsherrn
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