Flammen des Himmels
der Kerl ihr ein weiteres Tuch um das Gesicht, und ihr blieb nichts anderes übrig, als durch die Nase zu atmen, wenn sie nicht ersticken wollte.
Ihrer Mutter und ihrer Schwester erging es ebenso. Als die drei Frauen geknebelt waren, wandten die Männer sich Haug zu. Dionys löste die Stricke, mit denen ihr Opfer an den Ring gefesselt worden war, packte dessen Kopf und bog ihn so, dass Rübsam Haug den Inhalt einer Lederflasche zwischen die Lippen gießen konnte.
»Ist guter Wein! Hab ihn mal probieren dürfen«, sagte der Foltermeister breit grinsend.
Es war aber nicht nur Wein in der Flasche, sondern auch noch etwas anderes, das meinte Frauke zu riechen. Sie vermochte den Geruch jedoch nicht einzuordnen. Angewidert und voller Angst um ihren Bruder sah sie zu, wie die Männer ihn bis auf die Haut auszogen. Dionys machte sich dabei den Spaß, ihm schmerzhaft in die Hoden zu kneifen. Sogleich stieß Haug einen Schrei aus, der seine Peiniger dröhnend auflachen ließ.
»Noch kann er quieken!«, spottete Rübsam.
Zusammen mit einem zweiten Knecht streifte Dionys Haug einen Kittel über, den eine wenig kundige Hand mit Teufelsfratzen bemalt hatte. Dann fesselte er die Hände des Gefangenen auf den Rücken und schleppte ihn hinaus.
Frauke zitterte vor Wut und Angst am ganzen Körper. Auch Inken Hinrichs schien ihr eigenes Leid über dem ihres Sohnes eine Weile zu vergessen. Doch der Knebel verurteilte sie ebenfalls zum Schweigen, und so konnten Mutter und Töchter nur entsetzte Blicke wechseln.
Nachdem Rübsam den Raum verlassen hatte, banden die Knechte erst Inken Hinrichs los und fesselten ihr die Arme auf dem Rücken. Dann nahmen sie sich Silke vor. Ihr zogen sie das Kleid aus, bevor sie ihr die Hände wieder fesselten, so dass sie nur noch ihr Hemd am Leib trug.
Nun wurde auch Frauke bis aufs Hemd ausgezogen und musste dabei die Hände der johlenden Kerle auf ihrem Leib erdulden. »An der ist mehr dran, als ich gedacht habe. Es wird mir Spaß machen, ihr zwischen die Schenkel zu steigen, damit sie nicht doch noch als Jungfrau in den Himmel kommt, sondern dorthin geht, wo sie hingehört: in die Hölle!«, rief einer der Männer lachend.
Mit dieser Drohung hatte Frauke gerechnet. Seit der Vergewaltigung der Mutter wusste sie, dass ihre Schwester und sie für diese Männer Freiwild waren. An keine anderen Gesetze gebunden außer jenen, die sie sich selbst gaben, konnten sie alle erdenklichen Schandtaten begehen.
Frauke blieb nicht die Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn einer der Kerle packte ihre Mutter und stieß sie zur Tür hinaus. Ein anderer quetschte Silke die Oberarme gegen den Brustkorb, hob sie auf und trug sie weg. Der letzte Knecht legte ihr selbst die Hände so fest um die Taille, dass sie kaum noch Luft bekam, und schleppte sie hinter den anderen her.
Da sie neue Foltern erwartet hatte, wunderte sie sich, weil man sie in eine kleine Kammer im ersten Stock brachte. Dort aber begriff sie schnell, was auf sie zukommen würde, denn mehrere kleine Fenster boten einen guten Blick auf den Platz vor dem Kloster. Gerade schlug die Glocke die sechste Stunde, und es war noch hell genug, um den Scheiterhaufen in der Mitte erkennen zu können. Ein einziger Pfahl ragte zwischen den Holzbündeln in die Höhe, und einer der Helfer des Foltermeisters prüfte gerade, ob dieser fest genug saß, dass jene, die an ihn gekettet wurden, ihn nicht herausheben und sich vielleicht befreien konnten. Unterdessen goss Dionys Öl auf alle vier Kanten des Holzstapels und prüfte mit einer noch nicht brennenden Fackel, wie nahe er an den Scheiterhaufen herantreten musste, um ihn zu entzünden.
Alles in Frauke schrie, dass das da unten nicht die Wirklichkeit sein konnte. Es konnte doch nur ein Possenreißerspiel sein, das eine Gauklertruppe aufführte. Aber die Männer des Inquisitors trafen die Vorbereitungen mit einem Ernst, als hinge ihr Leben vom reibungslosen Gelingen ihres Tuns ab.
Die Einwohner der Stadt, die gezwungen wurden, dem Schauspiel zuzusehen, hatten sich fast alle schon versammelt, und die Stadtknechte zogen nun einen Kordon um den Scheiterhaufen. Für die beiden Bürgermeister und die Ratsmitglieder waren Stühle in der ersten Reihe aufgestellt worden, ebenso für die Vertreter des Fürstbischofs in Gerwardsborns Gefolge. Frauke entdeckte Draas, den der Befehl des Stadtrichters, hier zu erscheinen, früh genug erreicht hatte.
Der Mann wirkte so grimmig, als wolle er die ganze Welt erwürgen.
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