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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Unwillkürlich hielt Frauke nach dem jungen Gardner Ausschau und sah ihn bleich wie der Tod neben seinem Vater sitzen. Er ist ein guter Mensch, dachte sie, genau wie Draas. Bei der Erinnerung an den gutmütigen Stadtknecht musste sie wieder daran denken, dass sie jetzt alle in Sicherheit wären, wenn ihr Vater auf dessen Warnung gehört hätte.
    Einen Augenblick empfand sie höllischen Zorn auf ihren Vater, der sich noch rechtzeitig mit ihrem jüngeren Bruder in Sicherheit hatte bringen können. Was für ein verachtenswertes Geschöpf war dieser Mann, der sich der Verantwortung für seine Familie auf eine so feige Art entzogen hatte! Dann aber nahmen die Sorge und die Angst um sich selbst Frauke wieder gefangen. Würden ihre Mutter, ihre Schwester und sie ebenfalls dort unten verbrennen? Ein wenig hoffte sie, dass man ihnen den Scheiterhaufen nur zeigte, um sie zu erschrecken. Wo aber war Haug?, fragte sie sich. Würde er an diesem Abend von den Flammen verzehrt werden? Bei dieser Vorstellung liefen ihr endlich die Tränen über die Wangen.
    Unten hatten sich mittlerweile sämtliche Ratsherren eingefunden. Frauke sah Thaddäus Sterken wie eine schwabbelige Kröte auf seinem Stuhl sitzen. Hinter ihm stand seine Tochter, die das Unglück ihrer Familie mit ihren Hetzereien womöglich erst ausgelöst hatte.
    Fraukes Hass auf die junge Frau übertraf in diesem Augenblick selbst den auf den Inquisitor, allerdings nur so lange, bis dieser in eigener Person erschien. Wie immer trug Gerwardsborn ein schwarzes Gewand und eine schwarze Kopfbedeckung. Dazu hielt er ein in schwarzes Leder gebundenes Buch in der Hand. Sein bleiches Gesicht stach aus dieser Schwärze hervor wie ein Irrlicht in einer sternenlosen Nacht.
    Magister Rübsam, der ihn begleitete, stellte sich vor den Stühlen der Ratsherren auf. Mit donnernden Worten erklärte er der versammelten Menge, dass an diesem Tage zwei hartgesottene Ketzer den Tod finden würden, und malte ihnen die Qualen, die diese erleiden würden, bildhaft aus.
    Frauke wurde klar, dass er die Menschen auf dem Platz einschüchtern wollte. Was war das nur für ein Glaube, der seine Anhänger mit Gewalt bei der Stange halten musste? Hatte Jesus Christus denn nicht die Liebe gepredigt und erklärt, man solle auch die linke Wange hinhalten, wenn man auf die rechte geschlagen worden sei?
    Doch von christlicher Demut und Mitleid war bei Jacobus von Gerwardsborn und seinen Knechten nichts zu spüren. Während der Inquisitor auf einem einzelnen Stuhl seitlich des Scheiterhaufens Platz nahm und Rübsam seine Ansprache hielt, bereiteten der Foltermeister und dessen Knechte den Tod der Verurteilten vor.
    Als der Magister seine Rede beendet hatte, setzte er sich ebenfalls, und Dionys befahl den Stadtknechten, die Menge weiter zurückzudrängen. Dann wurde es so still, dass Frauke glaubte, Gott hätte ihr Flehen erhört und ihr das Gehör genommen.
    Nach zwei, drei Augenblicken, in denen jedermann auf dem Platz erstarrt zu sein schien, trat der Stadtrichter vor und hob seinen Amtsstab. »Das geistliche Gericht Seiner Exzellenz, des Inquisitors Seiner Heiligkeit, hat die beiden Männer Berthold Mönninck und Haug Hinrichs der verabscheuungswürdigen Wiedertäuferei überführt und sie zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt.«
    Frauke nahm wahr, wie ihre Mutter ohnmächtig zu Boden sank, und hoffte, diese würde den Tod ihres Ältesten nicht miterleben müssen. Doch diese Gnade gönnten die Schergen des Inquisitors Inken Hinrichs nicht. Einer der Knechte verließ den Raum, kehrte mit einem Eimer Wasser zurück und leerte diesen über ihrem Kopf aus.
    Sie kam wieder zu sich und starrte die Männer verwirrt an. Sogleich zogen die Schergen sie wieder auf die Beine und zwangen sie, nach draußen zu schauen.
    Dort zog mittlerweile die Dämmerung auf, und Knechte steckten Fackeln in dafür vorgesehene Halterungen. In deren Schein entdeckte Frauke den Henker der Stadt, der sich durch die Reihe der Stadtknechte geschoben hatte und mit zorniger Stimme auf Rübsam einredete.
    »Hier bin ich es, der die Menschen foltert und richtet! Ihr nehmt mir mein Brot, wenn Euer Foltermeister den Scheiterhaufen anzündet. Ich bekäme dafür fünf Gulden, die mir nun entgehen.«
    »Sie entgehen dir nicht! Der Rat soll sie dir auszahlen«, antwortete der Inquisitor anstelle des Magisters.
    Während der Stadthenker sich halbwegs zufrieden dem Stadtschreiber zuwandte, um dessen Bestätigung zu erheischen, ekelte Frauke sich vor

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