Flammen des Himmels
Möge der Höllenfürst dich in seinen heißesten Kessel stecken!«
Der Foltermeister wischte sich mit einer beiläufigen Bewegung mit dem Ärmel den Speichel vom Gesicht, riss dann die Frau herum und bog ihr die Beine auseinander, so dass sie nur noch an dem Strick hing, mit dem ihre Handgelenke an dem Eisenring festgebunden waren. Während Inken Hinrichs sich schier die Seele aus dem Leib schrie, zog er ihr Hemd hoch, öffnete seinen Hosenlatz und stieß ihr das Glied mit einem heftigen Ruck in die Scheide.
»Du hättest einen leichten Tod haben können, aber jetzt wird es ein langes Sterben für dich werden!«, rief er lachend, während er sie vergewaltigte.
Eine Frau vor den Augen ihrer Kinder zu schänden, war die größte Schmach, die man ihr antun konnte. Daher hatte Dionys Fackel und Laterne so plaziert, dass ihr Licht genau auf Inken Hinrichs und ihn fiel. Inken Hinrichs’ Schreie gellten schmerzhaft in den Ohren ihrer Kinder.
Frauke schloss die Augen, um das Schreckliche nicht mit ansehen zu müssen. Doch es half nichts. Ihre Phantasie gaukelte ihr die Szene in aller Deutlichkeit vor, und sie spürte, wie ihr Magen zu rebellieren begann. Da sie an dem Tag noch nichts gegessen hatte, würgte sie nur gelbe Galle heraus. Doch trotz ihres eigenen Elends dachte sie nur an die Mutter, die zwar streng, aber doch fürsorglich gewesen war, und sie fragte sich, was für Menschen der Inquisitor und seine Begleiter sein mussten.
Endlich ließ Dionys von der Frau ab. Während Inken Hinrichs sich zitternd aufrichtete, um nicht an den blutenden Handgelenken zu hängen, wandte der Foltermeister sich Silke zu und strich ihr über die Wange.
»Du bist gewiss vernünftiger als deine Mutter, nicht wahr?«
Silke drehte weinend das Gesicht weg, doch zu ihrer Erleichterung ging der Mann fröhlich pfeifend zur Tür und ließ die vier Gefangenen in einer Wolke aus Angst, Wut und Scham zurück.
»Möge er in der Hölle braten! Mögen sie alle in der tiefsten Hölle braten«, stieß Frauke aus und wusste nicht, ob sie nun den Folterknecht meinte und den Inquisitor mitsamt seinem Gefolge oder die Einwohner dieser Stadt, an der Spitze Gerlind Sterken, die sie und ihre Familie aus Neid und Missgunst diesen Teufeln zum Fraß vorgeworfen hatte.
6.
E s gelang Lothar kaum, sich auf seine Bücher zu konzentrieren. Da er jedoch wusste, dass der Vater ihn am Abend examinieren würde, lernte er verbissen. Mittags hatte er keinen Hunger, aber er zwang sich, eine Kleinigkeit zu essen. Dabei fieberte er dem Zeitpunkt entgegen, an dem er sich mit Draas treffen wollte.
Kurz nachdem die Turmuhr die dritte Nachmittagsstunde geschlagen hatte, klappte er seine Bücher zu, räumte sie weg und machte sich zum Ausgehen zurecht. Zu seiner Erleichterung war sein Vater nach dem Mittagessen zu einem Treffen mit den Ratsmitgliedern gegangen. Dieses würde, so hoffte er, lange genug dauern, so dass er wieder ins Kloster zurückgekehrt war, bevor der Vater erschien.
Lothar musste unterwegs ein paarmal nach dem Weg fragen, bis er endlich die Schenke des einbeinigen Jens fand. Diese lag zwar noch innerhalb des Mauerrings, aber in einem abgelegenen Winkel der Stadt und so nahe an der Gerberstraße, dass der Geruch nach fauligem Fleisch und dem Urin, den diese zum Gerben benützten, die Luft verpestete.
Mit Abscheu erfüllt, trat er ein. Im Gastraum war die Luft etwas besser, aber dafür war es so düster wie in einer Kirche an einem wolkenverhangenen Dezembertag. Daher dauerte es einige Zeit, bis Lothars Augen sich an die Umgebung gewöhnt hatten. An zwei Tischen saßen Männer, die ihrem Aussehen nach nicht zu den besseren Bürgern der Stadt zählten. Einer war leer, und am hintersten und letzten Tisch entdeckte er Draas. Dieser hatte einen Holzkrug vor sich stehen, den er gerade zum Mund hob.
»Ist es genehm, wenn ich mich zu dir setze?«, fragte Lothar, als sähe er einen Fremden vor sich.
»Nur zu!«, antwortete der Stadtknecht. »Es ist lustiger, in Gesellschaft zu trinken als allein.«
Lothar nahm Platz, bestellte sich ebenfalls einen Krug Bier und überlegte, wie er mit Draas reden konnte, ohne dass die anderen lauschen konnten. Da standen die Männer am Nebentisch auf, zahlten und gingen. Er wartete noch, bis der Wirt die leeren Krüge eingesammelt und zur Schanktheke gebracht hatte, dann fasste er Draas am Arm.
»Mein Vater hat mit dem Inquisitor gesprochen, doch er konnte nicht das Geringste für die armen Leute bewirken.«
Draas nickte
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