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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ihre Mutter und ihre Schwester zusammen. Da Widerworte ihr jedoch nur Ärger eingebracht hätten, verschwand sie aus der Küche, schnappte sich unterwegs einen Besen und begann, den Schlafraum des Ehepaares zu kehren. Während sie die schlichte Bettstatt musterte, die Debald und Mieke Klüdemann sich teilten, kam ihr ein unerwarteter Gedanke. Eine Ehe schien für sie die beste Möglichkeit zu sein, den jetzigen Zustand zu beenden. Aber wer würde sie in dieser fremden Stadt schon heiraten wollen? Hier in Geseke war sie nur noch eine Magd, und das würde sie bleiben, bis sie starb.
    Unwillkürlich musste sie an Lothar Gardner denken. Was würde er sagen, wenn er sie so mutlos sähe? Gleichgültig, welche Steine ihr das Schicksal auch in den Weg rollte: Sie durfte sich nicht unterkriegen lassen. Heute nicht und auch nicht in Zukunft! Immerhin hatte sie durch Lothar ihr Leben noch einmal geschenkt bekommen, und sie musste sich dessen wert erweisen.
    Mit diesem Vorsatz beendete sie die Arbeit im Schlafzimmer und ging weiter in die Kammer, die sie sich mit Mutter und Schwester teilte. Ihr Mut war neu erwacht, und sie fühlte die Kraft in sich, dem Leben das abzuringen, was sie benötigte. Viel war es nicht, nur ein braver Ehemann und ein kleines Haus, das sie mit diesem bewohnen konnte. Dabei war es ihr gleich, ob sie in Zukunft als Katholikin oder Lutheranerin würde leben müssen oder doch noch durch einen der Prediger des Glaubens ihrer Eltern die Erwachsenentaufe erhielt.

3.
    D raas hatte die Stadt verlassen und war losmarschiert, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Noch besaß er ein paar Groschen, und mit denen würde er eine Weile auskommen. Ihn interessierte kaum, was danach kam, denn seine Gedanken beschäftigten sich immer noch mit Silke. Diese war ihm gewiss dankbar, sagte er sich, und hatte wohl nur aus Furcht vor der Mutter ihre wahren Gefühle verborgen. Anders als sie war Frauke offen heraus und trat im Haus ihrer Eltern mit ihrer Art immer wieder ins Fettnäpfchen. Auch wenn Hinrichs und seine Familie versucht hatten, sich von anderen fernzuhalten, so hatten Nachbarn doch das eine oder andere aufgeschnappt und weitergetragen.
    Während Draas über staubige Straßen wanderte, wünschte er sich, dass Silke etwas mehr von der Art ihrer Schwester hätte. Doch sie war ein stilles Mädchen, welches das, was es wirklich bewegte, tief in sich verschloss.
    »Kein Wunder bei dem Vater und der Mutter«, brummte er und sagte sich, dass er Silke und ihre Familie so rasch wie möglich vergessen sollte. So einfach war das aber nicht, und als der Abend hereinbrach und es um ihn herum nur Wald gab, dachte er weniger an eine mögliche Gefahr für sich selbst, sondern schalt sich vielmehr einen Feigling, weil er nicht in Silkes Nähe geblieben war. Handlangerdienste hätte er auch in Geseke leisten können. Stattdessen war er ohne Sinn und Verstand losgelaufen.
    Es wurde immer dunkler, und Draas sehnte eine Herberge herbei, in der er essen und übernachten konnte. Doch am Himmel stieg bereits der Mond auf, und er wanderte immer noch auf einer von mächtigen Bäumen gesäumten Straße dahin. Einmal glaubte er ein Licht zu sehen, bemerkte aber rasch, dass es sich nur um einen Stern handelte, der knapp über dem Horizont stand.
    Langsam wurde ihm mulmig zumute. Zwar fürchtete er keine Menschen, denn die konnten ihm nicht mehr nehmen als sein Leben. Doch in Wäldern wie diesem sollte es Geister geben, und es hieß, dass der Satan selbst an bestimmten Kreuzwegen erschien, um nächtlichen Reisenden aufzulauern und sie in seine Gewalt zu bringen. Dem Herrn der Hölle ging es um die Seele, und die war ein ganz spezielles Ding. Obwohl Draas nicht glaubte, dass Jesus Christus beim Jüngsten Gericht einen Unterschied zwischen Katholiken, Lutheranern, Wiedertäufern und anderen Christen machen würde, so hatte er doch Angst vor der Hölle. Nach einer Weile blieb er stehen und lauschte den Geräuschen des nächtlichen Waldes. Es waren unglaublich viele verschiedene Laute zu hören, und Draas schauderte es.
    Stammten die Töne alle nur von Tieren, fragte er sich, oder mischte sich da auch die Stimme des Teufels mit ein?
    Eine Weile ging er weiter, blieb dann wieder stehen und schüttelte sich. Hier im Freien übernachten wollte er nicht. Lieber wanderte er die ganze Nacht hindurch, bis das erste Licht der Sonne alle Geister vertrieb.
    Der nahe Schrei eines Uhus ließ ihn zusammenzucken. »Das ist kein Totenvogel«, sagte er sich, um sich

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