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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Erstgeborenen der Ägypter, als der Pharao verhindern wollte, dass Moses die Kinder Israels ins Gelobte Land führte. Wie einst Moses wird auch unser Prophet Jan Matthys uns Auserwählte in das neue Jerusalem führen, auf dass wir dort in der Glückseligkeit der Anwesenheit Christi leben werden.«
    »Welch eine Freude wird das sein!« Debald Klüdemann weinte ergriffen und umarmte Bockelson erneut. Auch seine Frau, Inken Hinrichs und Silke kamen auf den Holländer zu, um sein Gewand anzufassen, so als wäre er ein Träger himmlischer Kräfte.
    »Und wo soll dieses neue Jerusalem sein, nachdem Straßburg es doch nicht war?«, fragte Frauke erneut.
    »Sei doch endlich still!«, zischte Inken Hinrichs ihrer Tochter zu.
    Doch Bockelson hob mit einer beschwichtigenden Geste die Hand. »Gott hat uns diese Stadt offenbart, und zwar sowohl dem großen Propheten Matthys, dem Propheten Johann Dusentschuer und auch mir selbst.«
    Er schwieg einen Augenblick, um seine Worte wirken zu lassen, und sprach dann mit verzückter Stimme weiter. »Es ist die Stadt Münster, die der Herr uns in seiner Gnade überlassen wird.«
    »Ausgerechnet Münster, das erst vor kurzem einen neuen Fürstbischof erhalten hat? Das wird Gerwardsborn, der schreckliche Inquisitor, nicht zulassen!«, rief Frauke erschrocken aus. Nur allzu gut erinnerte sie sich daran, dass ihr Bruder Haug in einer Stadt umgekommen war, die zum Fürstbistum Münster gehörte.
    »Du sprichst wie ein unvernünftiges Kind, das nur glauben will, was es sieht, und dabei die Größe des Herrn nicht erkennt«, tadelte Bockelson sie. »Es ist Gottes Wille, dass wir uns in Münster versammeln und auf die Wiederkehr Christi warten. Kein Bischof, kein Inquisitor, kein Papst und auch kein Kaiser können uns daran hindern. Deren Ende ist nahe, so hat Gott zu unseren Propheten gesprochen. Am Ostertage im Jahre des Herrn 1534 wird Jesus Christus in seiner Herrlichkeit vom Himmel herabsteigen und die Welt richten. Wir sind auserwählt, an seiner Seite zu sitzen und am ewigen Leben teilzuhaben, während all die Priester, Bischöfe, Päpste, Kaiser und Könige in den Feuern der Hölle ihr Jammergeschrei anstimmen werden. Das aber wird für uns wie herrlichste Musik sein, denn während wir der Gnade und Barmherzigkeit des Paradieses teilhaftig werden, sind die anderen auf ewig verdammt.«
    Selbst Frauke vermochte sich der hypnotischen Macht seiner Worte nicht zu entziehen und hoffte insgeheim, dass sie wahr seien. Für die anderen sprach Gott mit Bockelsons Mund, und sie wären am liebsten sofort aufgebrochen, um ja zu den ersten Erwählten zu gehören, die Münster erreichten. Nun aber zeigte es sich, dass der junge Holländer nicht nur ein begnadeter Redner war, sondern auch ein guter Organisator, denn er riet Klüdemann davon ab, sein Heim Knall auf Fall zu verlassen.
    »Verkaufe das, was du besitzt, zu einem guten Preis. Dies wird dir in Münster helfen, eine Wohnung zu finden. Noch sind dort die Verworfenen in der Mehrheit. Doch Gottes Macht wird sie entweder bekehren oder vertreiben, so dass die Stadt am Tage das Jüngsten Gerichts uns ganz allein gehören wird!«, erklärte Bockelson und stimmte ein Gebet an, in das die anderen bis auf Frauke einfielen.
    Da sie die Erwachsenentaufe noch nicht erhalten hatte, musste sie sich schweigend im Hintergrund halten. Dies gab ihr die Zeit, ihren Gedanken nachzuhängen und sich zu fragen, wie es sein würde, nach Münster zu gehen. Sie konnte nicht glauben, dass der neue Fürstbischof tatenlos zusehen würde, wie sich Tausende von Täufern in seiner Stadt einfanden, um dort das Ende der Welt zu erwarten. Und was war, wenn dieses ausblieb, so wie es schon in Straßburg ausgeblieben war?

10.
    E tliche Meilen von Geseke entfernt blieb Franz von Waldeck unter einem Baum stehen und blickte nachdenklich auf den letzten Apfel, der noch daran hing. Schließlich streckte er die Hand aus und riss die Frucht mit einer heftigen Bewegung herab.
    »Ob es auch bei Adam so war?«, fragte er Magnus Gardner, der ihn begleitete.
    »Euer Hochwohlgeboren haben den Apfel aus eigenem Willen herausgepflückt, während Adam die Frucht vom Baum der Erkenntnis auf Evas Bitte hin nahm!« Gardner musterte dabei den Fürstbischof, der wie ein gewöhnlicher Edelmann bestickte Pluderhosen, ein gestreiftes Seidenwams und einen mit Pelzstreifen besetzten kurzen Mantel trug.
    Ihm war klar, dass es dem Herrn des Bistums Münster nicht um den Apfel ging, sondern um seinen

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