Flammen des Himmels
schien der Wirt unschlüssig, dann aber nickte er ihr zu. »Ich gebe dir ein Fass. Doch soll Klüdemann es noch heute samt dem vorigen bezahlen. Sage ihm das!«
»Ja, Herr Wirt!« Frauke knickste und wartete darauf, dass der Wirt in den Keller stieg und das Fass herausbrachte. Der aber dachte nicht daran, sich selbst die Hände schmutzig zu machen.
»Du kannst dir ein Fass holen!«, forderte er Frauke auf und sagte sich, dass das Mädchen sicher das leichteste wählen würde. Dieses aber würde er Klüdemann wie eines der größeren Fässer berechnen.
Frauke begriff durchaus, worauf der Wirt aus war, und sie wollte diesem Betrug keinen Vorschub leisten. Entschlossen stieg sie nach unten und hob die einzelnen Fässer kurz an, bis sie das schwerste gefunden hatte. Dieses schleppte sie unter Stöhnen und Ächzen die Treppe hoch. Damit aber war es noch nicht getan, denn sie musste das Fass auch noch zu ihrer Schubkarre schaffen und es daraufheben.
Auf diesem Weg verfluchte sie sich, weil sie kein leichteres Fass gewählt hatte. Doch als die Kraft sie verließ und sie nicht mehr glaubte, den Rest der Strecke zu schaffen, kam ein junger, gutaussehender Mann auf sie zu und nahm ihr das Fass ab.
»Wo soll es hin?«, fragte er lächelnd.
Frauke atmete erleichtert auf und wies auf die Schubkarre. »Dorthin, bitte. Und besten Dank! Möge unser Herrgott es dir lohnen!«
Kurz darauf lag das Fass auf der Schubkarre, und der junge Mann wollte bereits weitergehen. Da drehte er sich noch einmal um. »Vielleicht kannst du mir helfen, Jungfer. Ich bin auf der Suche nach einem Bekannten. Er heißt Debald Klüdemann!«
»Welch ein Zufall! Bei diesem Herrn wohnen wir, das heißt, meine Mutter, meine Schwester und ich«, rief Frauke überrascht.
»Dann hat Gott uns hier zusammengeführt. Kannst du mich zu deinem Herrn bringen?« Als Frauke nickte, packte der Mann die Holme des Schubkarrens und bat sie, ihn zu führen.
Froh, die Schubkarre nicht selbst schieben zu müssen, ging Frauke voraus, stellte unterwegs aber die Frage, die sie am meisten bewegte. »Eurer Aussprache nach stammt Ihr aus Holland, mein Herr.«
»Aus Leiden, um es genau zu sagen. Mein Name ist Jan Bockelson, aber meistens nennt man mich den Jan aus Leiden, oder, wie man zu Hause sagt: Jan van Leiden!« Stolz lag in der Stimme des Mannes, und Frauke kämpfte mit dem eigenartigen Gefühl, dass er erwartete, sie müsse ihn kennen.
»Ich bin Frauke Hinrichs und erst seit kurzer Zeit in dieser Stadt«, antwortete sie, um ihre Unsicherheit zu überspielen.
»Kommst du von weit her?«, fragte Jan.
Frauke wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Wenn sie sagte, dass sie mittlerweile das vierte Mal ihre Heimatstadt hatten verlassen müssen, lieferte sie sich, ihre Mutter und Silke dem Verdacht aus, Täufer oder andere angebliche Ketzer zu sein.
Ihr Begleiter drang aber nicht weiter, sondern fragte nach allgemeinen Dingen, die sie leichten Herzens beantworten konnte. Als sie Klüdemanns Haus erreicht hatten, wuchtete Jan das Fass vom Schubkarren und folgte Frauke damit in den Keller.
»Habt Dank!«, sagte Frauke, als das Fass endlich auf seinem Bock stand. »Mir wäre es doch zu schwer gewesen.«
»Dabei bist du recht kräftig. Ich kenne nur wenige Mädchen, die das Fass so weit hätten tragen können wie du.«
Jans Lächeln und sein Lob ließen Frauke förmlich ein Stück wachsen. Sie musterte den jungen Mann genauer und fand ihn äußerst anziehend. Er war groß, aber schlank, sein ausdrucksstarkes Gesicht wurde von blonden Locken und einem kurz gehaltenen Kinnbart umrahmt. Seine Augen strahlten wie durch ein inneres Feuer, und als er ihr die Hand reichte, durchfuhr es sie wie ein sanfter Hauch.
»Frauke, wo bist du?«, hörte sie da die Stimme Mieke Klüdemanns.
»Oh Gott, die Hausherrin! Hoffentlich nimmt die nicht etwas Falsches an, weil wir zusammen im Keller sind«, sagte Frauke erschrocken.
Jan van Leiden hob beruhigend die Hand. »Keine Sorge, Jungfer. Ich werde ihr sagen, was wirklich war.«
Dann wurde seine Stimme lauter. »Steht das Fass so richtig?«
»Aber ja doch!«, antwortete Frauke verständnislos.
»Frauke, wer ist bei dir im Keller?«, fragte Mieke Klüdemann mir schriller Stimme.
Bevor Frauke antworten konnte, trat Jan zur Treppe und grüßte nach oben. »Jan Bockelson van Leiden zu Euren Diensten. Ich habe der Jungfer geholfen, das Fass hierherzubringen. Gott hat uns zusammengeführt, denn ich will den Herrn dieses Hauses
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