Flammen des Himmels
sprechen.«
»Was wollt Ihr von meinem Mann?« Mieke Klüdemann wurde etwas freundlicher, als sie den gutaussehenden jungen Mann sah, der eben heraufstieg und sich vor ihr verbeugte.
»Ich bringe Grüße von Freunden!« Jans Lächeln verfehlte seine Wirkung auch auf Mieke Klüdemann nicht. Obwohl sie bereits über vierzig war, sah sie ihn mit leuchtenden Augen an und vergaß ganz, dass sie Frauke hatte schelten wollen, weil diese einen Fremden ins Haus gebracht hatte.
»Mein Mann ist ausgegangen, wird aber bald wieder zurückkommen. Darf ich Euch derweil einen Krug Bier und einen Imbiss anbieten?«
Bockelson verbeugte sich lächelnd vor Mieke Klüdemann. »Es wäre sehr freundlich von Euch! Ich habe einen weiten Weg hinter mir und am Morgen nur ein Stück Brot zu mir genommen.«
»Dann kommt mit! Du, Frauke, kannst inzwischen den Hof kehren. Bring die Pferdeäpfel auf den Dunghaufen, damit ich nächstes Jahr die Rosen damit einpflanzen kann!«
Ohne darauf zu achten, ob Frauke gehorchte, führte die Hausfrau den Gast in die gute Stube und forderte Silke auf, ihm Bier, Brot und Wurst zu holen.
Als Fraukes Schwester mit dem Verlangten eintrat, sog Jan überrascht die Luft ein. Er hatte bereits Frauke für ein ausnehmend hübsches Mädchen gehalten, doch gegen eine solche Schönheit verblasste sie.
»Gott segne es Euch!« Mit diesen Worten stellte Silke das Tablett vor Jan und zog sich mit einem Knicks zurück, behielt aber die Tür einen Spalt weit offen, um heimlich hineinspähen zu können.
»Esst!«, forderte Mieke Klüdemann Bockelson auf.
Dieser sprach ein kurzes, aber inniges Dankgebet und trank einen Schluck Bier. Bevor er sich dem Brot und der Wurst zuwandte, sah er die Hausfrau an. »Das Mädchen eben, ist das Eure Tochter?«
»Wo denkt Ihr hin! Meine Töchter sind bereits aus dem Haus und gut verheiratet. Das war Silke, Hinner Hinrichs’ Tochter, die wir zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in unser Haus aufgenommen haben.« Mieke Klüdemann verzog ein wenig das Gesicht, denn ihr passte es wenig, dass die Gedanken ihres Gastes sich mit Silke beschäftigten, während sie selbst mit ihm sprechen wollte.
Zu ihrer Erleichterung wandte Bockelson sich jetzt dem Imbiss zu, und sie platzte beinahe vor Stolz, als er das Essen lobte.
»Mein Mann will stets nur das Beste. Da gilt es für mich, das Richtige zu besorgen«, erklärte sie geschmeichelt und fragte erneut, was ihr Gast denn mit ihrem Mann zu besprechen hätte.
»Erlaubt mir, damit zu warten, bis Euer Mann hier ist«, wich er aus und widmete sich der Wurst.
9.
Z ur Erleichterung seiner Frau erschien Debald Klüdemann noch vor dem nächsten Glockenschlag. Im Flur blieb er stehen und rief: »Ist hier niemand, der mir meinen Mantel abnehmen kann?«
Da Frauke draußen den Hof kehrte und Inken Hinrichs bei einer Nachbarin war, um Gewürzkräuter einzutauschen, kam Silke herbei und half dem Hausherrn aus seinem Mantel.
»Wenigstens du gibst acht, wenn ich komme«, lobte Klüdemann sie und tätschelte ihr die Wange. Dann ging er weiter, hörte Stimmen in der guten Stube und öffnete die Tür. Verwundert, seine Ehefrau im vertrauten Gespräch mit einem jungen Mann vorzufinden, zog er die Stirn kraus.
»Wir haben einen Gast?«
Bockelson stand auf und deutete eine Verbeugung an. »Jan Bockelson van Leiden zu Euren Diensten, Herr Klüdemann. Oder sollte ich Bruder Debald zu dir sagen?«
»Bruder? Ihr kommt von … Freunden?« Die Vorsicht hieß Klüdemann, sich nicht auf Anhieb zu verraten.
Sein Gast nickte lächelnd.
»Ich soll Euch Grüße von Bruder Jan Matthys und Bruder Bernhard Rothmann überbringen!«
»Matthys und Rothmann!« Klüdemann schnappte verblüfft nach Luft. Ersteren kannte er als den herausragenden Propheten ihrer Bewegung. Rothmann seinerseits war ein exzellenter Prediger, dem er bereits einmal bei einem Besuch in Münster gelauscht hatte. Trotzdem blieb er misstrauisch.
»Wer sagt Euch, dass mir diese Namen bekannt sind?«
»Bruder Matthys sagt, ich soll Euch an den Apostel Johannes erinnern!«
Dies war das Losungswort, mit dem unbekannte Mitglieder ihrer Gemeinschaft sich untereinander ausweisen konnten. Klüdemanns Misstrauen schwand, und er schloss Bockelson wie einen lange vermissten Sohn in die Arme.
»Willkommen in meinem Haus, Bruder Jan! Ich freue mich, dich zu sehen.«
»Die Freude ist ganz bei mir«, antwortete Bockelson und erwiderte die Umarmung. Für Augenblicke hielten die beiden Männer einander
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