Flammen des Himmels
nicht ins Detail gegangen war, begriff Gardner, dass zwei Mitstudenten versucht hatten, seinen Sohn für üble Dinge zu missbrauchen. Lothar war dem Anschlag durch eigenen Mut und die Unterstützung seines Lehrers entkommen, doch Kranz befürchtete, die beiden Burschen könnten versuchen, sich an Lothar zu rächen.
Er hätte die beiden gleich der Universität verweisen sollen, dachte Gardner, begriff aber auch, dass Kranz dafür Gründe hätte nennen müssen, die die beiden Studenten unweigerlich ins Verderben gerissen hätten – und Lothar vielleicht sogar mit ihnen. Da er selbst die Verbrennung der beiden Ketzer miterlebt hatte, wünschte er niemandem diesen Tod. Dennoch galt es, sich Gedanken zu machen, wie er seinem Sohn helfen konnte. Noch während er darüber nachdachte, kam ihm wieder Münster in den Sinn. Er brauchte dringend jemanden, der ihm wahrheitsgemäß berichtete, was dort vorging, denn er wusste nicht, ob er seinen jetzigen Zuträgern noch trauen konnte. Wenn diese Männer sich auf die Seite des radikalen Reformators Rothmann schlugen, stand zu befürchten, dass er mit falschen Informationen in die Irre geführt wurde.
»Ich werde Lothar hinschicken!«
»Was sagst du?«
Erst die Frage seiner Frau machte Gardner darauf aufmerksam, dass er diesen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Das war ärgerlich, denn nun würde sie so lange bohren, bis sie eine in ihren Augen erschöpfende Antwort erhielt. Nachdenklich faltete er den Brief wieder zusammen und steckte ihn ein.
»Verzeiht, meine Liebe, aber ich überlege gerade, Lothar für ein Semester von der Universität zu nehmen, damit er mir als Bote dienen kann. Er weiß mit hohen Herren umzugehen und lernt dabei höfische Sitten kennen, die ihm später zugutekommen werden.«
Diese Ausrede war Gardner gerade noch rechtzeitig eingefallen. Da sein Sohn später ebenso wie er in die Dienste eines regierenden Hauptes treten würde, musste auch seine Frau einsehen, dass dies zu Lothars Vorteil gereichte.
»Ich hatte gehofft, er könnte sein Studium abschließen«, wandte seine Frau ein.
»Das wird er auch, aber erst in zwei oder drei Jahren. Bis dorthin muss er etwas von der Welt sehen. Doch nun ist es Zeit zum Mittagessen. Lasst auftischen! Hinterher will ich Briefe an Magister Kranz und an Lothar schreiben und ihnen meinen Entschluss mitteilen.«
Gardners Hinweis auf ihre hausfraulichen Pflichten brachte Lothars Mutter dazu, das Thema nicht weiter zu verfolgen, sondern in die Küche zu eilen, um nachzusehen, ob die Köchin mit dem Essen fertig war.
11.
L othar ahnte nichts vom Brief, den Magister Kranz an seinen Vater geschrieben hatte. Und er hätte ihn auch nicht sonderlich interessiert, denn er kämpfte mit der Bedingung, die sein Lehrer ihm gestellt hatte. In den ersten Tagen hatten etliche Gründe die Ausführung verhindert, und er hoffte bereits, dem Besuch im Frauenhaus unter Kranz’ Augen entgehen zu können. Andererseits hätte er gerne einmal mit einer Frau geschlafen, allerdings ohne das Wissen, dass eine Hure Zeugnis von seinen Leistungen ablegen sollte.
An diesem Tag verließ er die Universität nach der letzten Vorlesung und wollte in sein Quartier zurückkehren. Doch kaum hatte er die Haustür geöffnet, sah er Faustus und Isidor vor sich. Bei seinem Anblick verzogen die beiden das Gesicht, und Faustus hob gar die Hand, als wolle er ihn schlagen.
Lothar spannte sich an, um sich mit aller Kraft zu wehren. Seine entschlossene Miene schüchterte sein bulliges Gegenüber jedoch ein, und der Student trat zurück. Gleichzeitig schien Faustus sich seiner Feigheit zu schämen.
»Wir sind noch nicht miteinander fertig«, zischte er wütend.
»Wenn du willst, können wir uns morgen früh vor der Messe draußen auf dem Anger treffen, jeder mit dem Schwert in der Hand«, antwortete Lothar selbstsicher, denn er hatte in den letzten Wochen etwas mehr Mühe darauf verwendet, mit dieser Waffe vertraut zu werden.
Da Faustus von seinen Fechtübungen erfahren hatte, schüttelte er den Kopf. »Nicht so! Dir zahlen wir es anders heim. Du wirst dir noch wünschen, damals stillgehalten zu haben.«
Dies war zu viel für Lothar. Ehe der andere sichs versah, schlug er zu und traf ihn voll am Kinn. Faustus sackte mit glasigen Augen zusammen und blieb vor den Füßen seines Freundes liegen. Dieser starrte Lothar an, wagte es aber nicht, es auf eine Schlägerei ankommen zu lassen.
»Wir werden uns beim Dekan beschweren und verlangen, dass du der
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