Flammen des Himmels
Nachsicht behandelt zu werden. Nur wenn einer es zu arg trieb oder halsstarrig blieb, musste er damit rechnen, auf dem Scheiterhaufen zu enden. Meist reichte es, mit dieser Strafe zu drohen, um die irrenden Schäflein wieder in den Pferch der einzig wahren Kirche zu treiben.
Das erklärte er an diesem Nachmittag Magnus Gardner, der wie ein Schatten hinter seinem Sohn stand, dem auch diesmal wieder befohlen worden war, gegen den Inquisitor zu verlieren.
Während die beiden Spieler ihre Schachfiguren zogen, drückte Gardners Miene Zweifel aus. »Verzeiht, Eure Exzellenz, doch unser Herr Jesus Christus hat die Menschen in Gut und Böse geschieden, und nicht in Herren und Knechte. Wenn Ihr nur die Armen opfert und die Reichen verschont, handelt Ihr nicht nach Gottes Gesetz.«
Der Inquisitor blickte verärgert auf. »Das, Herr Gardner, ist beinahe schon lutherisches Gedankengut. Und selbst dieser Herr beugt den Rücken vor den ketzerischen Fürsten und tritt gegen das einfache Volk. Oder habt Ihr seinen Aufruf wider die rebellischen Bauernhorden vergessen?«
Gardner verstand die Warnung, sich nicht in die Belange des Inquisitors einzumischen. Ob es allerdings im Sinne des Fürstbischofs war, aus dem Volk heraus Sündenböcke zu bestimmen, die zur Warnung für die anderen brennen sollten, bezweifelte er. Damit flößte man den Menschen nur Angst vor der Macht der Kirche ein, aber nicht die Liebe zu Gott. Da Gardner es jedoch gefährlich schien, dieses Thema weiter zu verfolgen, schalt er seinen Sohn wegen eines angeblich falschen Zuges, der aber Jacobus von Gerwardsborn an den Rand der Niederlage gebracht hatte.
Lothar lächelte nur freundlich, wartete den nächsten Zug des Inquisitors ab und machte dann den Fehler, der es diesem ermöglichte, seine Dame zu schlagen. Damit war sein König ohne Schutz, und er musste sich einen Zug später geschlagen geben.
»Euer Exzellenz spielen einfach zu gut«, sagte er mit einem scheinbar bedauernden Seufzer.
»Es ist deine Jugend, die dich zu überstürztem Handeln und damit zu Fehlern verleitet. Du vermagst dich noch nicht so auf das Spiel zu konzentrieren, wie ich es beherrsche«, antwortete Jacobus von Gerwardsborn selbstbewusst. »In zehn Jahren mag dies anders sein. Dann könntest du mich vielleicht in zwei oder drei von zehn Fällen besiegen.«
Er warf dem jungen Mann einen Blick zu und befand nicht zum ersten Mal, dass Lothar einfach zu weich aussah. So manches Mädchen würde ihn um sein glattes, ebenmäßiges Gesicht beneiden. Noch hatte der Inquisitor nicht herausgefunden, ob Lothar auch in seinen Gedanken und Gefühlen mehr auf die weibliche Seite schlug und sich vielleicht sogar zu Männern hingezogen fühlte. Eine solche Sünde würde er niemals dulden. Doch da Lothar der Sohn eines Herrn von Adel war, wollte der Inquisitor nicht voreilig über ihn richten.
»Du hast gute Anlagen, mein Sohn. Daher rate ich dir, der Jurisprudenz den Rücken zu kehren und Theologie zu studieren. Du könntest Pfarrherr einer großen Pfarrei und sogar Bischof werden – oder aber einer der Schäferhunde des Herrn, wie ich einer bin, also jemand, der die Wölfe der Ketzerei von seiner Herde fernhalten muss.«
Lothar schoss durch den Kopf, dass Jacobus von Gerwardsborn insgeheim von vielen nicht als Schäferhund, sondern als Bluthund des Papstes bezeichnet wurde. Auch wäre das Ziel, Inquisitor zu werden, das Allerletzte, das er sich vorstellen konnte. Zum Kleriker fühlte er sich ebenfalls nicht berufen. Doch dies Gerwardsborn ins Gesicht zu sagen, würde nur dessen Zorn erregen. Daher rettete er sich erneut in ein freundliches Lächeln.
»Die Tradition unserer Familie erfordert, dass die Söhne zuerst das Studium der Rechte abschließen, bevor sie sich anderen Aufgaben widmen. Mein Onkel Erich zum Beispiel hat danach in Mainz Theologie studiert und es bis zum Domkanoniker in Minden gebracht.«
»Also solltest du seinen Spuren folgen. Es ist von Vorteil, wenn ein Theologe zugleich Jurist ist, denn so kann er den Menschen ihre Fehler noch leichter vor Augen führen«, antwortete Gerwardsborn dem jungen Mann in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
Dann wandte sich der Inquisitor an Lothars Vater. »Ich will unseren Aufenthalt in dieser Stadt nicht zu lange ausdehnen. Daher werdet Ihr mit Sterken und den Herren vom Rat sprechen. Teilt ihnen mit, dass ich mit ihren Bemühungen unzufrieden bin, Ketzer ausfindig zu machen. Beinahe habe ich das Gefühl, dass der Rat diese sogar
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