Flammen des Himmels
beschuldigen«, fuhr Sterken auf.
»Auch ich halte es nicht für gut, einfach Menschen zu denunzieren, nur um den eigenen Hals retten zu wollen!« Magnus Gardner hoffte, mäßigend auf die Anwesenden einwirken zu können. Der lange Aufenthalt des Inquisitors hatte jedoch bei vielen die Angst, von ihm als lutherischer Abweichler erkannt zu werden, zu sehr angefacht.
»Wer sagt, dass die Leute unschuldig sind, die wir Seiner Exzellenz nennen? Sollten sie ehrliche Christenmenschen sein, wird er es erkennen.« Weickmann hatte nun ebenfalls begriffen, wen Gerlind im Sinn hatte. Da Hinner Hinrichs weder ein eingesessener Bürger noch von besonderer Bedeutung fürs Gemeinwesen war, hielt er es für besser, diesen zu opfern, als womöglich selbst in die Fänge der Inquisition zu geraten.
Andere Ratsmitglieder stimmten ihm zu, und schließlich gab auch Sterken nach. »Macht, was Ihr wollt!«, rief er aus. »Aber sorgt dafür, dass ich für Hinrichs einen ebenso guten Gürtelschneider bekomme.«
»Möglichst einen katholischen, was?«, fragte Weickmann lachend. »Aber den wird es nicht geben. Sobald dieser Inquisitor weitergereist ist, gilt, was wir vor seiner Ankunft verabredet haben. Unsere Pfarrkirche wird einem lutherischen Prediger übergeben. Die Katholiken sollen sich mit der Dominikanerkapelle begnügen. Wenn ihnen das nicht passt, können sie gerne die Stadt verlassen.«
»Ganz so schlimm wird es wohl nicht werden«, wandte Sterken ein. »Doch wer soll dem Inquisitor die angeblichen Wiedertäufer nennen?«
Aller Augen richteten sich auf Magnus Gardner, der sogleich mit beiden Händen abwinkte. »Ich eigne mich nicht zum Judas. Das, was Ihr tun wollt, komme auf Euch und nicht auf mich. Und damit Gott befohlen!«
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verließ das Haus. Erst auf dem Rückweg zum Kloster fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, die Ratsmitglieder vor den geplanten Hausdurchsuchungen des Inquisitors zu warnen. Einen Augenblick lang überlegte er, noch einmal umzukehren. Doch angesichts der Tatsache, dass diese Herren einen ihrer Bürger ohne direkten Verdacht als Ketzer denunzieren wollten, unterließ er es.
6.
F rauke begriff nicht, wieso ihr Vater so wenig auf die Anwesenheit des Inquisitors gab. Er hatte doch selbst erlebt, wie Glaubensbrüder in anderen Städten verhaftet worden waren und jämmerlich den Feuertod erleiden mussten. Obwohl sie erst siebzehn Jahre zählte, konnte sie sich daran erinnern, dass ihre Familie bereits dreimal ihren jeweiligen Wohnort hatte verlassen müssen. Das letzte Mal war ihr Vater trotz des Drängens eines Täuferpriesters zu zögerlich vorgegangen, weil er einen besseren Preis für ihr Haus hatte erzielen wollen, und so waren sie den Bütteln des angeblich wahren Glaubens nur knapp entkommen.
Auch jetzt saß Hinner Hinrichs ohne ein Zeichen innerer Unruhe am Tisch und löffelte zufrieden seinen Morgenbrei. Danach sah er seine Familie an. »Ich habe heute Nachricht von unserem Prediger erhalten. Er will nächste Woche kommen und Helms Taufe vollziehen!«
»Hältst du das für klug, Vater?«, entfuhr es Frauke. »Jetzt, da der Inquisitor in der Stadt ist, werden die Leute doppelt achtgeben, ob sich jemand verdächtig macht. Nicht nur die Katholiken sind unsere Feinde, sondern auch die Anhänger dieses Luther.«
»Du sollst dem Vater nicht widersprechen, Frauke. Das ist ungehörig!«, wies Silke ihre Schwester zurecht.
Doch Hinner Hinrichs lachte nur amüsiert auf. »Da will das Küken klüger sein als der Hahn. Solange wir vorsichtig sind, wird niemand etwas merken. Außerdem macht es Spaß, jemanden zu taufen, solange sich diese schwarze Krähe hier herumtreibt und trotz weit aufgerissener Augen nicht das Geringste sehen kann.«
»Mir gefällt es nicht!«
Zwar murmelte Frauke es nur, doch Helm hörte es und sah sie herablassend an. »Du bist doch nur neidisch, weil ich getauft werde und du nicht. Aber du bist eben noch nicht so fest im Glauben wie ich.«
»Helm hat die Bibel und die Schriften unserer Propheten Melchior Hoffmann und Jan Matthys gelesen und ist vom Glauben durchdrungen, während du kleinliche Fragen stellst und die himmlischen Eingebungen unserer Propheten anzweifelst«, sagte Hinner Hinrichs, der wieder einmal die Geduld mit seiner jüngeren Tochter verlor. Als Frau hatte sie still zu sein und demütig das Haupt zu beugen, wenn ein Mann, den Gott mit überlegenem Verstand ausgestattet hatte, das Wort ergriff. Schließlich hatte er
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