Flammen des Himmels
während Weickmann zornig die Luft aus den Lungen stieß. Doch er hielt nun den Mund, dafür machte sich Sterken zum Sprecher der städtischen Belange.
»Ihr müsst uns verstehen, Herr Gardner. Wir wollen als rechte Christenmenschen leben, die das Evangelium ehren, und von einem braven Pfarrer in unserer eigenen Sprache belehrt werden. Wie soll ein Priester die Herzen der Menschen erreichen, wenn die meisten das Latein, das er spricht, nicht verstehen können? Zudem ärgert uns, dass jeder römische Pfaffe unseren Gesetzen entzogen ist. Wir hatten bereits Diebe und Hurenböcke darunter – und sogar einen Mörder, der frei von dannen gehen und eine hohe Stellung in einer anderen Stadt einnehmen konnte.«
»Glaubt Ihr, dass die lutherischen Prediger bessere Menschen sind?«, fragte Gardner mit einem bitteren Auflachen.
»Es gibt solche und solche, auch bei den Lutheranern«, gab Sterken zu. »Einen lutherischen Prediger kann die Pfarrgemeinde jedoch absetzen. Auch hat der Rat das Recht, ihn aus der Stadt zu weisen, wenn er vom rechten Pfade abkommt. Bei einem römischen Pfaffen ist das unmöglich.«
»Das mag stimmen. Doch Ihr alle seid Untertanen des Fürstbischofs vom Münster, zu dem unser allergnädigster Herr Franz von Waldeck gewählt worden ist. Dies hier ist ein geistliches Fürstentum, dessen Oberhaupt nicht nur dem Kaiser, sondern auch dem Papst unterstellt ist, und keine Grafschaft und kein Herzogtum, dessen Herr in eigener Macht entscheiden kann, ob er römisch-katholisch bleiben oder lutherisch werden mag.«
Gardner war laut geworden und sah nun einen der Herren nach dem anderen an. »Geht das nicht in Eure Köpfe? Selbst wenn Euch die lutherischen Prediger besser dünken als die römischen, müsst Ihr Letzteren gehorchen, wenigstens dem Anschein nach!«
Der letzte Halbsatz war das einzige Entgegenkommen, das Gardner den Männern anbieten konnte.
Weickmann war damit nicht zufrieden. »In Münster und anderswo jagen sie das römische Gesindel doch auch zum Teufel und holen brave Prediger, die den Glauben nach Luthers Lehre verkünden. Warum also sollen wir uns fürchten, es ebenso zu machen? Wer will uns daran hindern? Der Fürstbischof gewiss nicht. Der ist froh, wenn wir ihm die Steuern zahlen, die ihm zukommen. Ich sage Euch, wir schicken eine Delegation nach Telgte, um mit Franz von Waldeck zu verhandeln. Er wird uns anhören und unterschreiben!«
»Und wenn er es nicht tut und Soldaten aufmarschieren lässt?«, fragte Gardner verärgert. »Seid Ihr dann auch noch so mutig, wenn das kaiserliche oder bischöfliche Fußvolk vor Euren Mauern liegt und nur darauf wartet, nach dem Sturm über Euch und vor allem über Eure Weiber herfallen zu können?«
Während die Männer im Raum die Köpfe einzogen, durchfuhr die Lauscherin vor der Tür ein großer Schrecken. Gerlind wollte weder ihren Schmuck an Plünderer verlieren noch Gefahr laufen, von diesen vergewaltigt zu werden. Da sie in den letzten Tagen bereits mehrfach die Gespräche ihres Vaters mit seinen Gästen belauscht hatte, war in ihr ein Plan gereift, von dem sie in erster Linie selbst zu profitieren gedachte. Nun war es an der Zeit, ihn in die Tat umzusetzen.
Ohne etwas darauf zu geben, ob es schicklich war oder nicht, öffnete sie die Tür und trat ein. »Verzeiht, meine Herren, ich kam eben vorbei und habe die letzten Worte vernommen. Mich überläuft ein kalter Schauder, wenn ich an Krieg und enthemmte Landsknechte denke. Uns allen ist klar, dass der Inquisitor unsere Stadt nicht eher verlassen wird, bis er ein paar Ketzer entlarvt hat. Sorgen wir doch dafür, dass es die richtigen Ketzer sind, nämlich diese unnatürlichen Wiedertäufer, die unser Stillenbeck mit ihrer Anwesenheit beschmutzen!«
Thaddäus Sterken begriff sofort, worauf seine Tochter hinauswollte, und warf ihr einen warnenden Blick zu. »Es gibt keine Beweise, dass sich Melchioriten in unserer Stadt befinden. Auf Gerüchte gebe ich nichts, denn die können auch aus reiner Bosheit heraus entstehen.«
Doch damit konnte er den Stein, den Gerlind ins Rollen gebracht hatte, nicht mehr aufhalten. Weickmann, der sich eben noch so kämpferisch gegeben hatte, schnappte nach dem Vorschlag wie ein Hund nach dem Knochen.
»Eure Tochter hat recht, Sterken. Wenn der Inquisitor ein paar Wiedertäufer auf den Scheiterhaufen gebracht hat, wird er zufrieden von dannen ziehen, und wir haben wieder unsere Ruhe.«
»Wir können nicht irgendwelche Leute der Wiedertäuferei
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