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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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ihrem Misstrauen wusste.
    Aber dann zwang sich Stefan Lürsen, während er umständlich seinen
Mantel zuknöpfte, zu einem Scherz, der so schlecht war, dass ihr Misstrauen
schlagartig wieder in die Höhe schoss. »Und nicht vergessen!«, sagte er, »wenn
mein Vater wieder seinen schwarzen Anzug tragen will, wird er sich vorher ausziehen
müssen. Und das wollen Sie doch nicht, oder?«
    Mamma Carlotta wartete nur so lange, bis seine Schritte auf dem Gang
verklungen waren, dann erhob sie sich. Der alte Herr Lürsen nahm sie gar nicht
wahr. Er starrte auf einen Punkt vor seinen Füßen, wo er etwas sah, was kein
anderer erkennen konnte. Mamma Carlotta ging zum Kleiderschrank, öffnete ihn
und nahm den schwarzen Anzug heraus, dessen Kragen schon ganz speckig war und
dessen Ärmelkanten glänzten.
    Schon als sie den Kleiderbügel von der Stange hob, wusste sie, dass
sie etwas entdeckt hatte, was verborgen bleiben sollte. Der Anzug war schwer,
sehr schwer. Und das lag nicht an dem wuchtigen Schnitt und dem dicken
Wollstoff, aus dem er gefertigt war. Mamma Carlotta griff in die Taschen, erst
in die rechte, dann in die linke, zog aber jedes Mal die Hand wieder zurück,
ohne etwas gefunden zu haben. Ungeduldig schob sie die Anzugjacke vom Bügel,
hob sie ein paarmal an und wog sie. Ja, in dieser Jacke steckte etwas.
Vielleicht in der Innentasche? Nein, auch sie war leer.
    Dann aber spürte sie das Gewicht an der unteren Kante der Jacke. Sie
schüttelte sie und hörte ein metallisches Rasseln. Kein Zweifel, im Futter der
Anzugjacke war etwas versteckt, was dort sicher war, solange der alte Herr
Lürsen seinen schwarzen Anzug nicht anzog. Und da er vermutlich nicht nur von
seinem Sohn, sondern auch von den Pflegerinnen darin gehindert wurde, war
dieses Versteck gut. Sehr gut sogar!
    Mamma Carlotta ahnte, was sich dort verbarg, noch ehe sie die erste
Sicherheitsnadel löste, die das Futter mit dem Saum der Jacke verband …
    Erik fuhr langsam die Steinmannstraße hinab. Wie immer,
wenn er in Gedanken war, fiel es ihm schwer, sich auf den Verkehr zu
konzentrieren und schnelle Entscheidungen zu treffen, wie sie jedem Autofahrer
ständig abverlangt wurden. Also fuhr er langsam, sehr langsam.
    Â»Hier darf man fünfzig fahren«, versuchte Sören ihn anzutreiben.
Aber Erik erkannte den Wink in diesem Hinweis nicht.
    Â»Ich weiß«, entgegnete er, steigerte die Geschwindigkeit jedoch um
keinen einzigen Stundenkilometer.
    Also fand Sören sich damit ab, dass es eine Weile dauern würde, bis
sie endlich so weit waren, in den Hochkamp einzubiegen.
    Â»Fanden Sie ihre Aussage glaubhaft?«, fragte Erik.
    Sören brauchte nicht lange nachzudenken. »Geraldine Bertrand
verheimlicht uns was, so viel steht fest.«
    Â»Das kam mir auch so vor«, bestätigte Erik und zuckelte in den
Kreisverkehr.
    Hübsch hatte sie ausgehen, so hübsch, dass Erik für einen Moment
nicht wusste, ob er die Fragen wirklich stellen wollte, auf die er Antworten
brauchte. Ganz in Schwarz war sie gekleidet, Erik war aber nicht sicher gewesen,
ob sie das schlichte schwarze Kleid aus gebotenem Anlass trug. Dazu war es zu
schick, zu ausgefallen und stand ihr zu gut.
    Sie hatte die beiden Beamten mit einem Lächeln begrüßt, das genau
richtig war für ihre Situation. So würde sie an diesem Tag auch die Kunden in
Empfang nehmen. Freundlich, aber auf keinen Fall fröhlich, offen für
Beileidsbekundungen, aber nicht für neugierige Fragen. Vielleicht hatte sie
Glück und wurde von ihren Kundinnen verschont. Von den Polizisten jedoch nicht!
Sören war so wenig von ihrer Erscheinung beeindruckt, dass er sich nicht einmal
mit Höflichkeiten aufgehalten hatte.
    Â»Warum sind Sie in List in der Nähe der Baustelle spazieren
gegangen, Madame Bertrand?«
    Sie sah ihn erstaunt an. »Das habe ich Ihnen schon gesagt.«
    Â»Weil Ihr Vater Bauunternehmer war und Sie Baustellen mögen? Ja, das
haben Sie gesagt. Aber das entspricht nicht der Wahrheit.«
    Geraldine Bertrand drehte sich zu ihrem Sortiment um und schob
einige Kleidungsstücke hin und her. Entweder wollte sie nicht antworten oder
erst über die richtige Antwort nachdenken.
    Â»Ebenso wenig entspricht es der Wahrheit«, fuhr Sören fort, »dass
Sie mit Gosch in Verhandlungen stehen.« Er sprach erst weiter, als Geraldine
sich zu ihnen zurückdrehte. »Herr Gosch weiß nichts von

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