Flammen im Sand
wie Stefan Lürsen! Vielleicht war es
wirklich ein Zufall gewesen, dass er bei Tove eine doppelte Tote Tante bestellt
hatte? Sie stieg ab und schob das Rad zu einem der Fahrradständer. Selbst wenn
er etwas auf dem Kerbholz hatte, sein armer Vater konnte nichts dafür!
Vermutlich bekam er nur selten Besuch, so wie der Bruder ihres Zahnarztes, der
nach Ausbruch der Erkrankung auf jeden Gast, der mit Blumen oder Pralinen vor
ihm erschien, mit den Fäusten losgegangen war. So lange, bis sich niemand mehr
zu ihm traute. Aber in einem seiner wenigen klaren Momente hatte Mamma Carlotta
ihn einmal bitterlich weinen hören, weil er sich von der Welt verlassen fühlte.
Seitdem war sie gelegentlich zu ihm gegangen, obwohl sie jedes Mal Gefahr lief,
mit einer schweren Gehirnerschütterung zurückzukehren, weil wütende
Verzweiflung das einzige Gefühl zu sein schien, das der Metzger noch ausdrücken
konnte. Einmal aber hatte er sie auch angelächelt und dankbar ihre Hand
gedrückt. Das war ein Moment gewesen, in dem sie tief in seine Seele geblickt
hatte. Deswegen würde sie ihn nach ihrer Rückkehr wieder besuchen. Und aus
diesem Grunde würde sie nun auch dem alten Herrn Lürsen einen Besuch abstatten.
Erik legte das Telefon zur Seite und seufzte auf. »Die
Staatsanwältin hat sich verabschiedet. Sie fährt gleich auf den Autozug. Vorher
hat sie uns noch ermahnt, uns um die geklauten Luxusuhren zu kümmern.«
»Wie denn?«, fragte Sören. »Wir haben keine konkreten Anhaltspunkte.
Alle Kollegen wissen Bescheid und halten die Augen offen. Mehr ist nicht drin.«
Erik nickte. »AuÃerdem sind die beiden Mordfälle wichtiger.« Er
stand auf, ging zum Fenster und sah einer Plastiktüte nach, die vom Wind über
den Kirchenweg getrieben wurde. »Was meinen Sie? Haben wir es mit ein und demselben
Täter zu tun?«
»Sieht so aus«, entgegnete Sören. »Die Ãhnlichkeit zwischen den
beiden Fällen ist unverkennbar.«
Erik drehte sich zu ihm um. »In beiden Fällen sollten die Leichen
auf Nimmerwiedersehen verschwinden.«
»Indem jeder glaubte«, ergänzte Sören, »die Frau wäre freiwillig
gegangen.«
»Und beinahe hätte es geklappt. Wenn in List nie gebaut worden wäre â¦Â«
»â¦Â und wenn der Hund sich nicht in den Zweigen verfangen und Ihre
Schwiegermutter nicht auf die Leiche aufmerksam geworden wäre â¦Â«
»â¦Â dann wären gleich zwei perfekte Morde gelungen. Elske Pedersen
wurde nie gesucht, und nach Yvonne Perrette hätte auch kein Hahn gekräht.«
»Weil jeder glaubte, dass sie Pedersen verlassen hat«, sagte Sören.
»Aber einen Unterschied gibt es doch: Elske Pedersen hat einen Abschiedsbrief
hinterlassen, Yvonne Perrette nicht.«
»Sie meinen, sie wollte Pedersen gar nicht verlassen? Der Mörder hat
nur diesen Eindruck erwecken wollen?«
»Möglich wäre es.«
»Dann stammt der Täter aus dem direkten Umfeld der Toten.«
Sören nickte. »So weit waren wir doch schon. Jannes Pedersen oder
Geraldine Bertrand.«
»Bei Madame Bertrand fehlt das Motiv.«
»Dann müssen wir es eben finden«, entgegnete Sören. »Oder Jannes
Pedersen die Tat nachweisen.« Er stand auf, als wollte er gleich damit
beginnen. »Wie wärâs mit einem Besuch im Modeatelier? Bin gespannt, wie
Geraldine Bertrand uns erklärt, warum sie uns belogen hat.«
»Und ob sie uns bestätigt«, ergänzte Erik, »dass sie vor fünf Jahren
in Flensburg gearbeitet hat.«
»Also los!« Es sah so aus, als wollte Sören sich vor lauter
Tatendrang in die Hände spucken.
Während Erik sich seinen Schal umband, betrat Rudi Engdahl das Büro.
»Haben Sie sich nach diesem Sam Steiner erkundigt?«, fragte Erik.
Rudi Engdahl nickte. »Pedersens Angaben wurden bestätigt. Er hat an
dem Tag, an dem seine Frau verschwand, Sam Steiner besucht. Nachmittags
zwischen drei und vier.«
»Nach Hause gekommen ist er angeblich erst nach acht«, sagte Erik.
»Ein Alibi hat er damit nicht«, ergänzte Sören. »Wir wissen ja nicht
genau, wann Elske Pedersen gestorben ist.«
Erik nickte. »Haben Sie erfahren«, fragte er Engdahl, »warum Sam
Steiner einsa�«
Rudi Engdahl blickte auf den Zettel, den er in Händen hielt.
»Diebstahl, Betrug, Hehlerei. Er soll mit einer Bande
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