Flammen im Sand
sie sich wieder Erik zu und
senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Wenn Sie sonst keine Probleme haben â¦Â«
»Mein Problem ist«, sagte Erik ruhig, »dass Sie uns belügen.«
»Lappalien!«
»Mag schon sein. Trotzdem gefällt es mir nicht, dass Sie uns nicht
die Wahrheit sagen. Auch wenn es nur um Lappalien geht, wie Sie sagen.« Erik
bedachte Geraldine mit einem Blick, der ihr sagen sollte, dass er von jetzt an
jedes ihrer Worte auf die Goldwaage legen würde, dann ging er zur Tür.
Die Kundin sagte gerade: »Ich habe das Plakat für die Modenschau im
Fenster gesehen. Findet die trotzdem statt? Obwohl Sie ⦠ich meine ⦠der Name
der Toten stand zwar nicht in der Zeitung, aber so was spricht sich ja schnell
rum â¦Â«
Geraldine hatte sie mit einem kleinen tapferen Lächeln unterbrochen.
»Meine Schwester hätte es so gewollt. Es soll ihre Modenschau werden. Wir
werden nur die Modelle vorführen, die Yvonne entworfen hat. Ich werde den Namen
der Modenschau ändern. Sie soll nicht mehr die Schau des Ateliers sein, sondern
die Schau der Yvonne-Perrette-Moden.«
Tatsächlich war die Kundin gerührt. »Damit schaffen Sie wirklich ein
schönes Andenken an Ihre Schwester.«
Erik bog nun in den Hochkamp ein und rollte gemächlich auf Käptens
Kajüte zu.
»Ich findâs zum Kotzen, dass sie die Modenschau durchzieht«, sagte
Sören. »Geschmacklos!«
»Meine Schwiegermutter wird sich allerdings freuen«, entgegnete
Erik, »und Carolin auch.«
Mamma Carlotta hatte ihr Fahrrad vom Altenheim bis zum
Modeatelier geschoben. Nicht, weil der Wind stärker geworden war, sondern weil
sie Zeit brauchte, um das Durcheinander in ihrem Kopf zu ordnen. Mit dem
Fahrrad wäre sie in zwei Minuten vor dem Atelier angekommen, so aber brauchte
sie mindestens fünf, und die hatte sie bitter nötig, um zu verarbeiten, was auf
sie eingestürmt war.
Stefan Lürsen steckte also tatsächlich mit Tove Griess unter einer
Decke. Der Schwager der Staatsanwältin! Wie war so etwas möglich? Was passierte
eigentlich in Käptens Kajüte? Jannes Pedersen lieferte teure Uhren bei Tove ab,
und der verkaufte sie an Leute weiter, die nach einer doppelten Toten Tante als
Erkennungszeichen verlangten.
Woher hatte Jannes Pedersen die Uhren? Wahrscheinlich aus
irgendwelchen Einbrüchen. Ihm wurden sie gebracht, vermutlich von den Dieben
selbst, und er reichte sie an Tove weiter, der die Aufgabe übernahm, die Uhren
zu lagern und an den Mann zu bringen. Wie raffiniert! Sollte die Polizei einen
Hinweis auf Jannes Pedersen erhalten, würde eine Hausdurchsuchung nichts
bringen. In Käptens Kajüte würde niemand auch nur eine einzige Luxusuhr
vermuten. Und Stefan Lürsen, der vermutlich Abnehmer hatte, die sich freuten,
eine Luxusuhr zu einem günstigen Preis zu bekommen, würde niemals in Verdacht
geraten. Um welche Summen es bei diesem Handel ging, wenn eine einzige Uhr
zwanzigtausend Euro kostete, wollte sie lieber nicht nachrechnen.
Aber dann war bei einer Lieferung etwas schiefgelaufen. Jannes hatte
Uhren zu Tove gebracht, doch als der sie an Stefan Lürsen weiterreichen wollte,
hatte eine gefehlt. Lürsen fühlte sich von Tove betrogen, der war jedoch
sicher, dass Jannes ihn übers Ohr gehauen hatte. Und keiner von ihnen ahnte,
dass die fehlende Uhr in Lucias Nähkästchen steckte.
Mamma Carlotta hielt dem Wind ihr Gesicht hin, als könnte er ihr die
schweren Gedanken aus dem Kopf pusten und durch frische Ideen ersetzen. Wie
sollte sie diese Uhr wieder loswerden? Einfach in den nächsten Mülleimer
werfen? Nein, völlig unmöglich! Eine Uhr, die zwanzigtausend Euro kostete, zu
vernichten, war eine Sünde, die nicht mal mit fünf Rosenkränzen aus der Welt zu
schaffen war. Sie Tove zurückgeben, damit alles wieder seine Ordnung hatte?
Genauso unmöglich! Wie sollte sie noch einmal in seinen Vorratsraum kommen? Am
Ende lief sie Gefahr, ein zweites Mal in Käptens Kajüte eingesperrt zu werden!
Bäcker Arfsten hatte ihr einmal geglaubt und war sogar bereit gewesen, weder
vor Erik noch vor Tove ein Sterbenswörtchen verlauten zu lassen, weil er der
Schwiegermutter eines Kriminalhauptkommissars unbedingtes Vertrauen
entgegenbrachte. Wenn sie sagte, es sei ihr sehr peinlich, so lange auf der
Toilette zugebracht zu haben, dass der Wirt sie am Ende vergessen hatte,
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