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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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nicht ganz, aber es schien Stefan
Lürsen die Nervosität zu nehmen. Vermutlich war ihm die Krankheit seines Vaters
peinlich. Wie für alle erwachsenen Kinder war es auch für ihn schwierig, den
Vater, der einmal groß, stark und wichtig gewesen war, so hinfällig zu erleben,
so hilflos, so kindlich. Er schämte sich seines Vaters, da konnte Mamma
Carlotta noch so oft behaupten, der Metzger in ihrem Dorf sei auch ein kluger
Mann gewesen, ein umsichtiger Geschäftsmann, ein verantwortungsvoller
Familienvater. »Trotzdem war er zwei Jahre nach Ausbruch der Krankheit nicht
mehr in der Lage, sich selber anzuziehen. Eine schreckliche Krankheit!«
    Stefan Lürsen nickte traurig und spielte gedankenverloren mit seiner
teuren Uhr. »Es ist schwer, diesen Zustand zu akzeptieren. Dass er jedes Mal,
wenn Besuch kommt, seinen schwarzen Anzug tragen will, kann ich nicht ertragen.
Erst recht nicht, wenn er dann beginnt, sich auszuziehen.« Er lächelte entschuldigend.
»Dieser Anzug ist sehr alt. Er trug ihn schon, als ich noch ein Kind war. Und
mein Vater sah immer imposant darin aus, wenn er zu einer Beerdigung ging oder
zu einer Silberhochzeit. Ich war dann sehr stolz auf ihn. Aber jetzt versinkt
er in der Anzugjacke, und die Hose ist ihm viel zu groß. Ich ertrage das nicht.
Vor einem Jahr habe ich mich zum letzten Mal darauf eingelassen und ihm dabei
geholfen, den Anzug anzuziehen.« Er strich sich mit einer Geste über die Stirn,
die Mamma Carlotta zutiefst rührte. »Wie er da vor mir stand … förmlich
hineingeschrumpft in diesen Anzug. Es war, als schlotterte mit diesem Anzug das
ganze Leben um ihn herum. Verstehen Sie? Nicht nur der Anzug, sein ganzes Leben
ist ihm zu groß geworden.«
    Mamma Carlotta war tief beeindruckt von dieser poetischen Erklärung,
die so treffend war, dass sie sie verstand, ohne sie heimlich ins Italienische
zu übersetzen. »Si, si«, murmelte sie ergriffen.
    Â»Ich habe mir vorgenommen, dafür zu sorgen, dass er den schwarzen
Anzug nie wieder trägt.« Stefan Lürsen schien sich gefangen zu haben. »Aber
natürlich darf ich ihn nicht wegwerfen. Er muss im Schrank hängen bleiben,
sonst wäre mein Vater todunglücklich.« Nach einem kurzen Moment des Schweigens
erhob er sich. »Ich muss jetzt gehen. Ich habe einen Termin bei der
Kurverwaltung. In der Hochsaison will ich meine Ferienwohnung vermieten.« Er
betrachtete Mamma Carlotta freundlich. »Darf ich Sie auch diesmal mit dem Auto
mitnehmen?«
    Â»Grazie! Aber ich bin mit dem Fahrrad unterwegs.«
    Â»Bei diesem Sturm?«
    Â»Das macht nichts. Ich muss ja nur ein paar Häuser weiter.«
    Â»Dann werde ich Sie begleiten und dafür sorgen, dass Sie sicher
ankommen.«
    Das war der Moment, in dem aus Carlottas Mitleid blankes Misstrauen
wurde. Stefan Lürsen wollte sie loswerden! Er wollte verhindern, dass sie
allein bei seinem alten Vater zurückblieb. Sie sollte dieses Zimmer verlassen,
dessen war sie sich von einem auf den anderen Augenblick ganz sicher. Und das,
obwohl er nun ergänzte: »Ich weiß, wie schwer es ist, längere Zeit bei meinem
Vater zu sitzen. Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, dass Sie überhaupt
gekommen sind.«
    Â»Ich hatte es Ihnen versprochen«, gab Carlotta zurück und blieb
sitzen, wo sie saß. »Machen Sie sich keine Sorgen, ich bleibe gern noch paar
Minuten. Die Pflegerin sagte, Ihr Vater freut sich immer sehr über Besuch.«
    Â»Das stimmt«, seufzte Stefan Lürsen und machte Anstalten, sich
wieder zu setzen.
    Â»Ihr Termin!«, mahnte Mamma Carlotta. »Den wollen Sie doch nicht
versäumen?«
    Â»Aber Sie können nicht mit meinem Vater reden! Sie werden sich zu
Tode langweilen!«
    Â»Macht nichts!« Mamma Carlotta war entschlossen, sich nicht
abschütteln zu lassen. »Er spürt, dass jemand bei ihm ist und mit ihm redet.
Wenn er damit glücklich ist, bin ich es auch.«
    Stefan Lürsen blieb nichts anderes übrig, als sie mit seinem Vater
allein zu lassen. Er verabschiedete sich liebevoll von dem alten Herrn und
drückte ihm sogar einen sanften Kuss auf die Stirn. Der dankbare Blick, den er
erntete, tat Mamma Carlotta so gut, als hätte sie ihn sich selbst verdient.
Konnte ein so liebe- und verantwortungsvoller Sohn etwas auf dem Kerbholz
haben? Sie spürte bereits, wie das Schuldbewusstsein in ihr hochstieg, und war
dankbar, dass niemand von

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