Flammen im Sand
zusammengearbeitet haben,
die im groÃen Stil Luxusuhren klaute. Steiner ist dabei erwischt worden, wie er
einige dieser Uhren verkaufte. Aber er hat nie verraten, wie sie in seine Hände
gelangt sind. Die Flensburger Kollegen hatten zwar die Hoffnung, dass er
irgendwann singen würde, aber vorher ist er gestorben. Herzinfarkt! Von heute
auf morgen.«
Erik stieà ein kurzes Lachen aus. »Sonst hätte er nach VerbüÃung
seiner Haftstrafe keinen ruhigen Tag mehr gehabt. Diese Banden sind rigoros.
Deswegen ist es so schwer, sie dingfest zu machen.«
Die Altenpflegerin betrachtete Mamma Carlotta lächelnd.
»Herr Lürsen? Der wird sich freuen, dass er Besuch bekommt!« Sie ging mit Mamma
Carlotta ein Stück den Gang herunter, öffnete eine Glastür, wies auf eine Zimmertür.
»Dort hinein!«
Als Carlotta den Raum betrat, nahm sie zunächst nur den Geruch wahr,
diesen Geruch des Alters, dumpf und säuerlich. Dann erst sah sie Stefan Lürsen.
Er sprang auf, als er Mamma Carlotta erkannte, und begrüÃte sie
strahlend. »Sie haben tatsächlich Ihr Versprechen wahr gemacht? Wie nett von
Ihnen!«
Der alte Herr Lürsen saà in seinem Sessel und betrachtete Mamma
Carlotta verständnislos. Aber nachdem sie ihm lange genug die Hand geschüttelt
und mit erhobener Stimme auf ihn eingeredet hatte, verzog sich sein Gesicht zu
einem winzigen Lächeln. Und dann glomm in seinem stumpfen Blick sogar eine
kleine Freude auf. »GroÃes Geheimnis«, sagte er und schien sich daran zu
freuen, dass es etwas gab, an das er sich erinnern konnte.
Stefan Lürsen zuckte mit den Schultern. »Von diesem groÃen Geheimnis
redet er ständig. Niemand weiÃ, was er meint.« Ein Schatten ging über sein
Gesicht. »Dass man sich nicht mehr mit ihm unterhalten kann, macht die Besuche
so schwierig. Deswegen kommt niemand mehr zu ihm, obwohl er viele Bekannte auf
Sylt hat. Wenn ich nur an die unzähligen Schüler denke! Aber für die ist mein
Vater schon gestorben.«
Der alte Herr Lürsen brabbelte etwas Unverständliches und versuchte,
sich aus seinem Sessel hochzustemmen. Auf die Frage seines Sohnes, was er
vorhabe, antwortete er nicht. SchlieÃlich stand er vornübergebeugt und mit
wackligen Beinen vor seinem Sessel und setzte sich in Bewegung. Sehr mühsam
zunächst, doch der dritte und vierte Schritt waren bereits einigermaÃen
geschmeidig. Und als er vor seinem Kleiderschrank stand, hielt er sich ziemlich
aufrecht.
»Was willst du, Vater?«, fragte Stefan Lürsen.
Mit bebenden Händen öffnete der alte Herr die Schranktür. »GroÃes
Geheimnis«, wiederholte er und griff nach einem schwarzen Anzug, dem einzigen,
der in diesem Schrank hing.
Stefan Lürsen sprang so plötzlich auf, dass Mamma Carlotta
erschrocken zusammenfuhr. »Nicht, Vater!« Mit einer heftigen Bewegung versuchte
er, die Hände seines Vaters von dem Kleiderbügel zu lösen, aber die Kraft des
alten Mannes war genauso beeindruckend wie die des Metzgers in Mamma Carlottas
Dorf. Verzweifelt klammerte er sich an den Kleiderbügel, sein Sohn musste
Finger für Finger hochbiegen, bis er endlich klein beigab.
»Lassen Sie ihn doch«, sagte Mamma Carlotta, die es nicht ertrug,
dass der Wille des alten Mannes gebrochen wurde.
Aber Stefan Lürsen antwortete nicht. Die sanfte Stimme, mit der er
nun auf seinen Vater einsprach, war unecht und gefiel Mamma Carlotta nicht. »Du
brauchst deinen schwarzen Anzug heute nicht.« Er drängte sich gegen den
schwachen Körper des alten Mannes, der prompt einen Schritt zu Seite machte.
Rasch schloss Stefan Lürsen die Schranktüren wieder und führte seinen Vater zum
Sessel, ohne auf dessen Protest zu achten.
Als er sich umdrehte, setzte er ein entschuldigendes Lächeln auf.
»Immer wenn Besuch kommt, meint er, er müsste seinen guten Anzug anziehen.«
Mit einem Druck, der alles andere als sanft war, nötigte er seinen
Vater zurück, sodass der alte Herr ohne Chance war.
Unterdessen berichtete Mamma Carlotta, um der Situation das
Bedrückende zu nehmen, von dem Metzger ihres Dorfes, der auch demenzkrank war
und in dessen Kopf sich ebenfalls Gedanken drehten, denen niemand mehr folgen
konnte. Sie behauptete sogar, auch der Metzger habe häufig nach seinem
schwarzen Anzug verlangt, wenn ein Besucher erschienen war, an den er sich
nicht erinnern konnte. Das stimmte zwar
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