Flammen im Sand
Gesprächs zu
werden. Wieder einmal dachte sie an Kündigung. Hatte sie es nötig, sich von
einer so eiskalten Frau wie Geraldine Bertrand aus dem Raum schicken zu lassen?
Von einer Frau, die den Tod ihrer Schwester nutzen wollte, um ein besonders
gutes Geschäft zu machen? Andererseits ⦠diese Modenschau, mochte sie auch noch
so pietätlos sein, wollte sie sich nur ungern entgehen lassen.
Vorsichtig nahm Mamma Carlotta den Blazer von der Stuhllehne. »Ich
soll einfach in Herrn Pedersens Wohnung gehen?«, fragte sie, und ihr Unbehagen
war nicht gespielt.
»Er ist in seinem Laden«, gab Geraldine ungeduldig zurück. »Hängen
Sie Yvonnes Blazer bitte in der Diele an die Garderobe.«
Mamma Carlotta gab sich geschlagen. Sorgfältig legte sie sich den
Blazer über den Arm. Als sie die Tür öffnete, die von der Schneiderwerkstatt in
den Wintergarten führte, folgte Geraldine ihr und sorgte dafür, dass sie fest
hinter ihr ins Schloss gezogen wurde.
Mamma Carlotta blieb stehen und sah sich um. Es war mit einem Mal
sehr still. Das Gespräch aus der Werkstatt drang nicht in den Wintergarten, in
der Wohnung war alles ruhig. Was mochte Yvonne hier gelitten haben? War sie
hier geschlagen und gedemütigt worden? Und Elske? Wie war Jannes Pedersen mit
ihr umgesprungen?
Auf Zehenspitzen schlich Mamma Carlotta durch den Wintergarten, von
dort ins Wohnzimmer und dann in die Diele. Dort führte eine Treppe in die erste
Etage, wo Mamma Carlotta die Schlafzimmer vermutete.
Sie erschrak, als sie die Stimme hörte. Wie eine Diebin kam sie sich
im selben Augenblick vor, wie jemand, der unbefugt eingedrungen war. Wenn
Jannes Pedersen sie nun hier ertappte? Würde sie Zeit genug haben, ihm zu erklären,
dass sie von Geraldine geschickt worden war?
In der Tür zur Diele blieb sie stehen und lauschte. Die Stimme kam
von oben, und es war die Stimme von Jannes Pedersen. Telefonierte er in seinem
Schlafzimmer? Wenn ja, dann hatte er die Tür nicht geschlossen. Er fühlte sich
allein, allein in seinen eigenen vier Wänden. Das Gefühl, ein Eindringling zu
sein, verstärkte sich. Mamma Carlotta wollte jetzt nur noch eins: den Blazer
loswerden und zurück in die Werkstatt! Ob Geraldine dann genug Zeit für das
vertrauliche Gespräch mit ihrem Geliebten gehabt hatte, interessierte sie
nicht.
»Die Bullen müssen gleich bei dir eintreffen«, hörte sie Jannes
sagen. »Hör zu, Tove! Du musst bestätigen, dass ich bis drei in der Frühe bei
dir war! Kapiert?«
Mamma Carlotta bekam es mit der Angst zu tun. Wie würde Jannes
Pedersen reagieren, wenn er merkte, dass sie das Gespräch belauschte, in dem er
Tove um ein falsches Alibi bat? Sie musste hier weg! So schnell wie möglich!
»Was heiÃt hier: Ich habe dich betrogen? Du kannst nicht richtig
zählen, das ist es!«
So geräuschlos wie möglich hob Carlotta einen Kleiderbügel von der
Garderobe, um Yvonnes Blazer aufzuhängen. Pedersen durfte sie hier nicht
erwischen. Wenn sie auch noch so unschuldig war!
»Du bringst mich in Teufels Küche, wenn du sagst, dass ich nur bis
Mitternacht bei dir war!«
Derart angespannt lauschte Mamma Carlotta nach oben, dass ihr
Yvonnes Blazer, kaum dass er auf dem Bügel hing, wieder herunterrutschte und zu
Boden fiel. Ihr brach der Schweià aus. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren!
Und kein Geräusch verursachen!
»Die Wahrheit?« Jannes Pedersen lachte hässlich. »Seit wann hast du
es mit der Wahrheit?«
Mit spitzen Fingern hob Mamma Carlotta den Blazer vom Boden auf.
Dass dabei eine flache Schachtel aus der Tasche fiel, bemerkte sie erst, als
der Blazer endlich an der Garderobe hing, ohne dass der Bügel auch nur ein
einziges Mal verräterisch geklappert hatte.
»Wie oft noch?«, brüllte Pedersen nun so laut, dass sie sich um
verräterische Geräusche keine Sorgen zu machen brauchte. »Ich habe dir die
verabredete Menge geliefert! Wenn du jetzt Ãrger mit dem Abnehmer hast, dann
ist das nicht mein Problem! Ich brauche jedenfalls ein Alibi!«
Mamma Carlotta hob die Schachtel auf und warf einen Blick darauf.
Was stand da? Schwangerschaftstest? Sie betrachtete die Schachtel noch
eingehender und schüttelte den Kopf. Wozu brauchte man einen Schwangerschaftstest?
Jede Frau merkte doch, dass sie schwanger war, an den untrüglichen körperlichen
Anzeichen. Mamma Carlotta hatte zwar schon ihre
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