Flammen im Sand
mir leid, das müssen Sie verschieben. Könnte ja
sein, dass Sie mit Herrn Griess unter einer Decke stecken.«
Tove hatte also Fietje einen Wink gegeben, damit er vorgab, die
Toilette aufzusuchen und bei dieser Gelegenheit die Luxusuhren verschwinden
lieÃ.
Tatsächlich klang seine Stimme sehr deprimiert, als er nun sagte:
»Also gut! Dann tun Sie, was Sie nicht lassen können!«
In diesem Augenblick hatte Mamma Carlotta gefunden, was sie suchte.
Hastig griff sie zu, erleichtert, dass die Kartons mit den Uhren so wenig
Gewicht hatten. Sekunden später war sie in der Küche, noch ehe Eriks Schritte
zu hören waren. Die Tür, die nach drauÃen führte, lieà sich zum Glück mit dem
Ellbogen öffnen. Und da sie neuerdings von guter Qualität war, fiel sie derart
sanft ins Schloss, dass Erik und Sören es sicherlich nicht gehört hatten.
Ihre Beine zitterten, als sie sich an die Hauswand lehnte. Dass sie
ein Vermögen im Arm hatte, daran durfte sie gar nicht denken. Und was sie damit
machen sollte, wenn sie es in Sicherheit gebracht hatte, darüber wollte sie
ebenfalls nicht nachdenken. Sie verscheuchte alles, was sie quälte, und bemühte
ihren Optimismus, der ihr schon oft gesagt hatte, dass jede schwierige Lage
auch etwas Positives hatte. Das war in diesem Fall die Tatsache, dass sie in
Käptens Kajüte selten ihre Jacke ablegte, weil Tove der Meinung war, dass seine
Fritteuse und die Kaffeemaschine als Heizung ausreichten. So musste sie
wenigstens nicht bitterlich frieren, während sie darauf wartete, dass Erik und
Sören den fensterlosen Vorratsraum betraten. Von dort aus würden sie nicht
sehen, wie Mamma Carlotta sich später eilig auf ihr Fahrrad schwang und mit
zwei verdächtig aussehenden Gepäckstücken im Fahrradkorb vom Wind in Richtung
WesterlandstraÃe getragen wurde.
Diesmal hatte Sören seinem Chef ohne viele Worte den Autoschlüssel
aus der Hand genommen und sich hinters Steuer gesetzt. Da Erik wieder etliche
Gedanken von Wenningstedt nach Westerland schleppen würde, wäre er mit seiner
vorsichtigen Fahrweise zu einem Verkehrshindernis geworden. Er konnte sich nur
auf eines konzentrieren, aufs Denken oder aufs Gasgeben.
Sören dagegen hatte keine Probleme, beides miteinander zu verbinden.
»Ich hätte schwören können, dass wir bei Tove Griess fündig werden!«, schimpfte
er.
Erik nickte. »Die Aussage dieses Bandenmitglieds allein wird nicht
reichen. Pedersen kann sich einen guten Anwalt leisten. Der wird diese Aussage
vor unseren Augen zerreiÃen.«
»Aber sie gibt ihm ein Alibi für den zweiten Mord«, rief Sören
verzweifelt.
Ehe Erik antworten konnte, ging sein Handy. Es dauerte eine Weile,
bis er es aus seiner Jackentasche gezogen hatte. Als er sich meldete, hatte es
mindestens sieben Mal geklingelt.
»Endlich!«, knallte eine weibliche Stimme an sein Ohr.
Erik runzelte verärgert die Stirn. Manchmal konnte man meinen, die
Staatsanwältin hieÃe Endlich und nicht Speck! Wann immer er den Hörer abnahm,
es war ihr nie früh genug.
»Wo sind Sie, Wolf?« Erik wollte gerade zu einer Antwort ansetzen,
da fuhr sie schon fort: »Egal! Ich bin jedenfalls auf Sylt! Wollte ich Ihnen
nur sagen.«
Ihre Stimme war so kräftig und scharf, dass Sören jedes Wort
verstanden hatte. Erschrocken nahm er den Fuà vom Gas und warf Erik einen
verzweifelten Blick zu. Dann fiel ihm ein, dass er nun schon genauso reagierte
wie sein Chef, und gab schleunigst wieder Gas.
»Mein Schwager hatte einen Herzinfarkt!«, fuhr die Staatsanwältin
fort. »Sie kennen ihn ja.«
Erik brummte: »Ja, ja â¦Â«
Mehr war in der Gesprächspause, die Frau Dr. Speck ihm gelassen
hatte, nicht unterzubringen. »Ich muss mich um seine Ferienwohnung kümmern und
auch nach seinem Vater sehen. Ich bin gerade auf dem Weg ins Altenheim, danach
komme ich im Revier vorbei! Sind Sie dann wieder zurück?«
»In fünf Minuten.«
Sören erkundigte sich gar nicht erst nach dem Verlauf des Gesprächs,
sondern fing gleich zu schimpfen an. »Verdammt! Diese verwandtschaftlichen
Beziehungen haben uns noch gefehlt!«
Erik hätte ihm gern zugestimmt, fühlte sich jedoch bewogen, Sören zu
mäÃigen. »Der arme Stefan Lürsen hatte einen Herzinfarkt! Vergessen Sie das
nicht.«
Doch die pädagogische MaÃnahme fiel nicht auf fruchtbaren
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