Flammen im Sand
vollkommen in Vergessenheit geraten.
Dann rückte Mamma Carlotta endlich mit ihrer Sensation heraus: »Ich
bin ein Model! Und Carolina auch!«
Sie hatte Verständnis für das Gelächter der beiden Männer und
wartete geduldig ab, bis sie ihre Heiterkeit im Griff hatten. Dann erklärte sie
die näheren Umstände ihrer neuen Aufgabe und stellte erfreut fest, dass ihr nun
Glauben geschenkt wurde. Erik, der in letzter Zeit von Carolin viel über
Modedesign gehört hatte, wunderte sich noch weniger als Sören. Er hätte sich ja
denken können, dass Carolins neuer Berufswunsch zu Komplikationen führen würde.
Dass es allerdings so weit kommen könnte, dass seine Schwiegermutter auf dem
Laufsteg landete, damit hatte er nicht gerechnet. Und um seine Tochter machte
er sich prompt Sorgen. Würde sie nun von einer Modelkarriere träumen? Musste er
ihre Essgewohnheiten im Auge behalten?
Ein guter Teil dieser Ãngste wurde ihm jedoch gleich wieder
genommen, als Carolin eintrat, mit einem MaÃband um den Hals. Sie lieà keinen
Zweifel daran, dass sie nach wie vor Modeschöpferin und nicht Model werden wollte,
als sie Sören ankündigte, dass er zum ersten NutznieÃer ihrer neu erworbenen
Fähigkeiten auserkoren sei. »Ich nähe Ihnen ein Hemd! Und ich werde es selbst
entwerfen. Was sagen Sie dazu?«
Sören verschlug es zunächst mal die Sprache, dann machte er einen
schwachen Versuch, Carolins Aufmerksamkeit auf ihren Vater zu lenken, indem er
behauptete, dass der sicherlich dankbar für eine Aktualisierung seiner
Garderobe sein würde.
Erik wehrte erschrocken ab, aber Carolin achtete gar nicht auf seine
Reaktion. »Papa ist zu konservativ«, erklärte sie zur groÃen Erleichterung
ihres Vaters. »Als Modedesignerin will man neue Ideen verwirklichen, also
braucht man moderne Menschen, die sich etwas trauen.«
Sören sah keineswegs so aus, als traute er sich etwas, aber da er
als junger Mann nicht zu den Konservativen zählen wollte, erhob er sich
seufzend und breitete gehorsam die Arme aus, um sich die Schultern messen zu
lassen.
Die Gelegenheit war günstig! Carolin war mit dem Entwurf
von Sörens Hemd beschäftigt und wollte danach in den Keller steigen, um sich
aus Lucias Stoffvorräten etwas Geeignetes herauszusuchen. Felix hatte sich zur
Turnhalle davongemacht, wo in den Wintermonaten das FuÃballtraining stattfand.
Für Mamma Carlotta gab es also keinen Grund, die Zeit, die bis zum Abendessen
blieb, nicht auf ihre Weise zu nutzen.
AuÃerdem hatte es, kurz nachdem Erik und Sören das Haus verlassen
hatten, einen wunderbaren Anruf gegeben. Mit einem aufwühlenden Angebot, mit
vielen Schmeicheleien und schönen Worten, wie sie kein geborener Friese je
hervorbrachte. Was für ein Glück, dass Französinnen in dieser Hinsicht groÃe
Ãhnlichkeiten mit Italienerinnen hatten! So war Mamma Carlotta von Kopf bis FuÃ
entzückt gewesen, als sie das Telefon zurücklegte, und musste selbstredend sofort
mit jemandem in allen Einzelheiten erörtern, was Yvonne Perrette ihr angeboten
hatte.
Zum Glück war Carolin im Hause gewesen, die genauso erfreut gewesen
war wie ihre Nonna, die aber leider in einem solch bewegenden Moment reagierte
wie die Vorfahren ihres Vaters. Also etwa so wie Mamma Carlotta, wenn der
Briefträger klingelte und einen Versandhauskatalog brachte. Als sie ihrer
Enkelin jedes Wort wiedergegeben und jedes ihrer Gefühle ausgiebig dargelegt
hatte, während sie sich ausmalte, was Lucia dazu gesagt hätte, und lang und
breit erwog, die zweite Frau ihres älteren Cousins anzurufen, die als
Ãnderungsschneiderin arbeitete und schon deshalb von dem Anruf Yvonne Perrettes
erfahren sollte ⦠da hatte Carolin bereits erste Anzeichen von Ãberdruss
erkennen lassen. Mamma Carlotta jedoch hatte ihre Freude noch längst nicht
verarbeitet, also musste sie woanders hingetragen werden. Und da sie gesehen
hatte, dass Frau Kemmertöns zum Einkaufen gefahren war, blieb nur Käptens
Kajüte. Zwar wusste sie, dass der Wirt sich alles, was ihm erzählt wurde, nur
anhörte, weil ihm nichts anderes übrig blieb, aber da war ja auch noch der
Strandwärter Fietje Tiensch, der stets hocherfreut war, wenn jemand das Wort an
ihn richtete. Das geschah selten genug, denn er war als Spanner bekannt, der
den Feriengästen gern in die Fenster schaute, vornehmlich in die
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