Flammen im Sand
Weile darauf
herum, bis sie eine erträgliche Sitzposition gefunden hatte, dann legte sie die
Unterarme auf die Theke und sah sich zufrieden um. »Allora! Was ist mit Käptens
Kajüte passiert? Ich habe sie kaum erkannt!«
»Wurde auch Zeit«, brummte Tove, »dass sich hier mal was ändert. Ich
werde alles umgestalten.«
Mamma Carlotta war sofort für das Wort »umgestalten« entflammt, das
sie noch nicht kannte und gleich mehrfach anwendete, während sie Vorschläge
machte, was nach ihrer Meinung bei der Umgestaltung berücksichtigt werden
müsse. Währenddessen zapfte Tove für Fietje ein neues Jever, ohne dazu
aufgefordert worden zu sein, und stellte ihm, ebenfalls unaufgefordert, einen
Köm daneben. Mamma Carlotta stellte fest, dass die Freundschaft zwischen den
beiden sich anscheinend vertieft hatte, was nur bedeutete, dass sich die
Abneigung, die die beiden füreinander hegten, allmählich in Akzeptanz
verwandelte.
Die Tür öffnete sich erneut, Mamma Carlotta drehte sich erstaunt um.
Schon wieder ein Gast? Konnte es wirklich sein, dass das veränderte ÃuÃere der
Imbiss-Stube bereits für Zulauf sorgte, den es sonst nur im Sommer gab?
Verdutzt beobachtete sie den gut gekleideten Herrn, der in der Tür stehen
blieb, sich in Käptens Kajüte umsah und dann mit Tove einen Blick wechselte,
den Mamma Carlotta nicht zu deuten wusste. Der Mann war in den Fünfzigern, trug
einen teuren Ledermantel, darunter einen eleganten Einreiher. Er ging zum
anderen Ende der Theke, als fürchtete er Mamma Carlottas Nähe, legte seinen Mantel
sorgfältig auf den vorletzten Barhocker und schob sich selbst auf den letzten.
»Eine Tote Tante!«, sagte er zu Tove. »Eine doppelte!«
Mamma Carlotta erstarrte. Tote Tante? »Madonna!«, flüsterte sie,
sodass nur Fietje es hören konnte. Was war nur mit Käptens Kajüte geschehen?
Was hatte es damit auf sich, wenn jemand zu Tove kam, der viel zu elegant war
für diesen Imbiss, und nach einer Toten Tante fragte?
Dass sich etwas verändert hatte, etwas Grundlegendes, erkannte sie
auch daran, dass Tove sie nicht ansah. Und als er zu Fietje sagte: »Du solltest
die Signora ein bisschen unterhalten!«, hatte sie sogar den Verdacht, dass sie
abgelenkt werden sollte. Wovon?
Fietje hielt sich erstaunlicherweise an Toves Anweisung und machte
sich daran, Mamma Carlotta zu unterhalten, indem er ihr erklärte, dass es sich
bei einer Toten Tante um ein Gemisch aus Schokolade, Sahne und Rum handle und
sie sich keine Sorgen zu machen brauche, dass hier eine nahe Verwandte ihr
Leben lassen müsse.
Mamma Carlotta beugte sich interessiert zu Fietje. Sie tat so, als
hinge sie an seinen Lippen und folge mit gröÃtem Interesse seinen Ausführungen,
lieà dabei aber Tove und seinen eleganten Gast nicht aus den Augenwinkeln.
Während sie »si, si« und »no, no« murmelte, hörte sie sich an, dass Fietje
Besuch von seinem Kollegen Uwe bekommen habe, der in List als Strandwärter
arbeite. Auch ihm habe er eine Tote Tante angeboten, weil Uwe derart
durchgefroren gewesen sei, dass er etwas brauchte, was ihn erwärmte. »Und da
ist Rum immer das Beste.«
Der elegante Herr bekam seine Tote Tante vorgesetzt, drehte Mamma
Carlotta ein paar Augenblicke den Rücken zu, griff in die Innentasche seines
Jacketts und zog einen Umschlag heraus, den Tove blitzschnell hinter der Theke
verschwinden lieÃ.
»Uwe hat gesagt, heute Mittag, an dem Neubau in List, da war was
los. Haben Sie schon von dem groÃen Hotel gehört, das in List gebaut wird,
Signora?«
»No, no.«
»Da muss heute was gefunden worden sein. Was sehr Merkwürdiges,
jawoll!«
»Davvero?«
Tove bückte sich und öffnete einen Schrank unter der Theke, in dem
er die Flaschen mit dem Hochprozentigen aufbewahrte.
»Uwe sagt, ein Freund von ihm arbeitet dort. Und der hat ihm
erzählt, dass ein Gerippe gefunden worden ist.«
»Si, si.«
Als er sich wieder aufrichtete, hatte Tove ein längliches Päckchen
in der Hand, das er dem eleganten Herrn hinschob, ohne ihn anzusehen.
»Ihr Schwiegersohn soll ja da gewesen sein. Der hat das Gerippe
angeguckt, sagt Uwe.«
Der elegante Herr nahm das Päckchen mit einer schnellen Bewegung an
sich und legte es sich zunächst auf den SchoÃ. So, als wollte er nicht, dass
es, für jeden sichtbar, auf der Theke liegen blieb. Dann
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