Flammen im Sand
Vorlieben
entsprach.
Dann jedoch schien es so, als wären ihre Sorgen vergeblich gewesen.
Erik und Sören waren frei von jedem Vorwurf, als sie im Süder Wung eintrafen,
lächelten dankbar, als sie feststellten, welche Mühe Mamma Carlotta sich mit
dem Essen gegeben hatte, behaupteten beide, dass das nicht nötig gewesen sei,
und versicherten einmütig, es hätte ihnen nicht das Geringste ausgemacht, einen
Teil des Mittagessens Frau Kemmertöns zu opfern.
Erik ergänzte sogar: »Man soll nachbarschaftliche Beziehungen
pflegen. Wer mir im Winter meine gefüllte Artischocke wegisst, wird im Frühling
nicht von mir verlangen, das Unkraut aus den Gehwegplatten zu kratzen.«
Von dem Gerippe, das in List gefunden worden war und das Mamma
Carlotta nur mit einem banalen Scherz kommentiert hatte, lieà weder Erik noch
Sören eine Silbe verlauten. Mamma Carlotta atmete auf. Das konnte nur bedeuten,
dass es sich vielleicht doch um ein Tier gehandelt hatte oder tatsächlich um
ein Skelett, das im Biologieunterricht benutzt worden war!
Sie lächelte dankbar, als Carolin hereinkam, mit einer Auswahl an
Stoffen in der Hand, von denen sich Sören den schönsten aussuchen durfte.
Während Mamma Carlotta die Melone zerteilte, überlegte Sören lange hin und her,
dann entschied er sich für das dezenteste Muster und die unauffälligste Farbe.
Carolin war zufrieden, erklärte aber in aller Deutlichkeit, dass sie sich ins
Design nicht reinreden lassen wolle. »Das wird ein Hemd, wie Sie noch nie eines
besessen haben!«
Sören sah aus, als befürchtete er genau das, gab sich aber Mühe, frohgemut
dreinzublicken. Nur ganz vorsichtig gab er zu verstehen, dass seine Kollegen in
der Polizeistation und auch seine Angehörigen und seine Freunde eher
konservativ seien und er daher möglicherweise nicht oft Gelegenheit haben
werde, das Designerhemd zu tragen.
Aber Carolin beruhigte ihn: »Machen Sie sich keine Sorgen! Geraldine
Bertrand sagt, man muss ausgefallenem Design praktischen Tragekomfort geben.«
Sören konnte sich augenscheinlich darunter nicht viel vorstellen,
nickte aber, als sei er nun restlos überzeugt von Carolins Fähigkeiten und dem
Nutzen, den er davon haben würde.
Erik schien beides schon wieder vergessen zu haben. »WeiÃt du, was
deine Chefin heute in der Mittagspause gemacht hat, Caro? Ich meine Geraldine
Bertrand.«
Carolin sah ihn verblüfft an. »Warum willst du das wissen?«
»Ich glaube, ich habe sie in List gesehen.«
»Dann weiÃt du ja, was sie gemacht hat.«
»Gibt es in List jemanden, mit dem das Modeatelier zusammenarbeitet?«
»Keine Ahnung.«
»Oder geht sie gern spazieren?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Sie könnte ja in Westerland am Strand spazieren gehen.«
»Und du könntest aufhören, komische Fragen zu stellen!«
Mamma Carlotta fand, dass dies ein guter Augenblick war, endlich
ihre Neuigkeit loszuwerden, von der bisher nur Carolin etwas wusste. Doch
gerade, als sie ansetzen wollte, ging die Türklingel. Ein Schwall kalter Luft
drang bis in die Küche, als Erik öffnete. Und mit dem Wind stürmte die Stimme
des Besuchers herein.
»Ich dachte, ich schaue auf dem Nachhauseweg kurz bei Ihnen vorbei,
Wolf! Sicherlich warten Sie schon auf das Ergebnis meiner ersten Untersuchung.«
Augenblicke später erschien Dr. Hillmot in der Küchentür, so
breit, dass er sie komplett ausfüllte. »Signora!«, rief er erfreut und warf
einen kurzen, aber ausdrucksvollen Blick auf den gedeckten Tisch. »Ich habe
gehört, dass Sie unsere Insel zurzeit beehren.«
Eriks breites Grinsen entging Mamma Carlotta nicht. Es zeigte
deutlich, dass er durchschaute, warum der Gerichtsmediziner ihm ein
Untersuchungsergebnis ins Haus brachte, das durchaus bis morgen Zeit gehabt
hätte.
»Ich hab genug eingekauft, Dottore. Es wird auch für Sie reichen«,
erklärte Mamma Carlotta.
Dr. Hillmot versprach, sich notfalls zurückzuhalten, was
ihm aber keiner abnahm. »Höchstens ein klitzekleines Häppchen â¦Â«
Was er ein klitzekleines Häppchen nannte, hätte bei Erik vermutlich
eine akute Gastritis hervorgerufen, aber da seine Schwiegermutter nichts von
der Nervosität erkennen lieÃ, die jede Hausfrau befällt, wenn sie Angst hat,
das Essen könnte nicht reichen, freute er sich darüber, einen weiteren Gast am
Tisch
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