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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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aufgetragen wurde
und sie zu Eriks Freude gleichzeitig zu ihrem Gerechtigkeitssinn zurückfand.
Ihm wurde genauso viel auf den Teller gehäuft wie Dr. Hillmot. Der
hörte sich nun interessiert an, dass Mamma Carlotta dieses Maronenparfait
ebenfalls serviert hatte, als Erik um Lucias Hand angehalten hatte. Und er amüsierte
sich beim Espresso köstlich über die Geschichte von dem Handelsvertreter, der
eine Ehefrau in Assisi hatte und eine Geliebte, mit der er in ihrem Dorf gern
Urlaub machte. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem seine Ehefrau, die endlich mal
mit ihrem Geliebten ein paar Tage in völliger Abgeschiedenheit verbringen
wollte, auf dieselbe Idee kam. Und der Gerichtsmediziner fiel, während Erik die
Grappaflasche auf den Tisch stellte, vor Lachen fast vom Stuhl, als Mamma
Carlotta von dem Olivenbauern erzählte, der seine tote Mutter so lange ins
Fenster gesetzt hatte, bis ihre nächste Rente fällig war.
    Kurz bevor er sich verabschiedete, erzählte sie ihm noch schnell die
Geschichte von der Frau des Tankstellenbesitzers, die sich nach einem Streit
mit ihrem Mann einfach in das Auto des nächsten Kunden gesetzt hatte, mit ihm
weggefahren und seitdem nie wieder gesehen worden war. »Jedes Jahr schickt sie
eine Ansichtskarte aus Lugano. Aber keiner weiß, was sie dort macht.«
    Erst als Dr. Hillmot und Sören gegangen waren, die Kinder im Bett
lagen und Erik sich gerade ins Bad verzogen hatte, fiel ihr ein, dass sie noch
immer nicht dazu gekommen war, die Neuigkeit zu verbreiten, die schon seit
Stunden aus ihr herauswollte.
    Erik hatte Sören zwar versprochen, nicht immer wieder nach
dem Ergebnis seiner Nachforschungen zu fragen, aber es fiel ihm schwer, an
seinem Schreibtisch zu sitzen und zu warten. Vier bis sechs Jahre nach dem
Verschwinden dieser Frau sollte es zwar auf eine Stunde mehr oder weniger nicht
ankommen, trotzdem war Erik nach Dr. Hillmots Besuch von der Unruhe
ergriffen worden, die ihn immer erfasste, wenn er der Lösung eines Falls auf
die Spur kam.
    Davon konnte zwar noch keine Rede sein, aber seit er wusste, dass
sie eine vor vier bis sechs Jahren verschwundene Frau zwischen dreißig und
vierzig Jahren suchten, war aus dem Skelett plötzlich eine Tote geworden,
etwas, das einmal ein Mensch aus Fleisch und Blut gewesen war. Eine Frau, die
gelebt und geliebt hatte und die Angehörige besaß, die sie vermissten.
    Er dachte an seine Verzweiflung, als er Lucia im Leichenschauhaus
zum letzten Mal gesehen und berührt hatte, und an die tiefe Trauer, die ihn
auch heute noch überkam, wenn er an ihrem Grab stand. Doch so schrecklich das
auch war, viel schrecklicher wäre es gewesen, wenn Lucia verschwunden wäre und
er bis heute nicht wüsste, was mit ihr geschehen war.
    Die Menschen, die dieser Frau nahegestanden hatten, taten ihm leid.
Es würde schwer sein, ihnen die Nachricht zu überbringen, dass die Ehefrau,
Mutter, Tochter oder Schwester gefunden worden war. Aber es würde auch
Erleichterung bringen. Möglich, dass es noch eine kleine Hoffnung gab, aber
Erik war dennoch sicher, dass die traurige Gewissheit irgendwann leichter zu
ertragen sein würde als diese quälende Hoffnung.
    Plötzlich fiel ihm etwas ein, was als Grund herhalten könnte, in
Sörens Zimmer zu gehen, ohne ungeduldig zu erscheinen. Es konnte ja ohnehin
nicht mehr lange dauern, bis sein Assistent sämtliche Dateien der
Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes mit den Fakten ihres Vermisstenfalls
verglichen hatte. Er betrat Sörens Zimmer, als wüsste er mit seiner Zeit nichts
anzufangen, und ignorierte geflissentlich dessen griesgrämige Miene und sein
undeutliches Gemurmel, das deutlich genug war, um es unterdrücktes Fluchen
nennen zu können.
    Â»Stellen Sie sich vor, was meine Schwiegermutter heute vorhat! Sie
hat’s mir beim Frühstück verraten.«
    Â»Einkaufen? Kochen?«, fragte Sören, ohne den Blick vom Bildschirm zu
nehmen.
    Â»Nein! Arbeiten!«
    Â»Sag ich doch!«
    Â»So nicht! Richtig!«
    Â»Wie? Richtig? Ist Kochen etwa keine Arbeit? Das lassen Sie Ihre
Schwiegermutter bloß nicht hören.«
    Â»Ich meine berufliche Arbeit. Geld verdienen!«
    Â»Die Signora?« Noch immer nahm Sören den Blick nicht vom Bildschirm,
und jetzt hackte er sogar so wütend auf die Tastatur ein, dass Eriks Hoffnung
auf ein baldiges Ergebnis schwand.
    Â»Yvonne Perrette hat sie gebeten, bei ihr zu

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