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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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sitzen zu haben. Er legte sogar eigenhändig das sechste Gedeck auf und
bat Dr. Hillmot,
Platz zu nehmen.
    Hochzufrieden holte Mamma Carlotta die zweite Hälfte der riesigen
Melone aus dem Kühlschrank, die es bei Feinkost Meyer auch im Februar gab, und
den Rest des Parmaschinkens. Wieder hatte sie voller Genugtuung festgestellt,
dass Lucia viele der Nahrungsmittel, an die sie gewöhnt gewesen war, auch auf
Sylt hatte einkaufen können! Über die glitschigen Rollmöpse und die eingelegten
Bratheringe mit der verschrumpelten Haut, aus denen der saure Sud tropfte, wenn
sie angehoben wurden, musste man eben beim Einkauf hinwegsehen.
    Dr. Hillmot war Junggeselle und genoss den gedeckten
Tisch, an dem sechs Leute saßen und auf den niemals Fastfood kam, solange Mamma
Carlotta auf Sylt war. Sie durchschaute seine Empfindungen sofort und erzählte
ihm lachend, dass an ihrem Tisch in Umbrien früher zu jeder Mahlzeit mindestens
zehn Leute zusammengekommen waren. »Mein Dino und ich, unsere sieben Kinder und
der Nonno!«
    Â»Und alle zehn Italiener«, ergänzte Erik grinsend, »die schrecklich
laut, furchtbar schnell und vor allem alle gleichzeitig reden.«
    Mamma Carlotta verpasste ihm für diese freche Bemerkung einen
kleinen Stüber, aber in Wirklichkeit freute sie sich darüber. Denn es zeigte
ihr, dass es auch Erik gefiel, wenn an seinem Tisch jeder Stuhl besetzt war, so
wie es häufig der Fall gewesen war, als Lucia noch lebte. Er verlieh seiner
Freude eben auf andere Weise Ausdruck! Nicht mit vielen »buono!« und
»belissima!«, sondern auf seine Art. Und weil Mamma Carlotta noch immer darauf
bedacht war, Erik versöhnlich zu stimmen, verzichtete sie darauf, ihn dafür
glücklich ans Herz zu drücken und ihm zu zeigen, dass sie von der Emotionalität
seiner Bemerkung durchaus erreicht worden war. Sie wusste ja, dass es ihm dann
in den nächsten Tagen prompt darum gegangen wäre, sich so kühl und schlecht
gelaunt zu geben wie ein Dutzend Friesen zusammen.
    Während sie die Cannelloni mit dem Ricotta-Spinat-Gemisch füllte und
mit der Käsesoße übergoss, berichtete Dr. Hillmot von den Untersuchungen,
die er angestellt hatte. Als Mamma Carlotta die Cannelloni in den Ofen
geschoben hatte, warf sie ihren Enkeln einen besorgten Blick zu. Dr. Hillmot
würde die beiden doch nicht mit unappetitlichen Einzelheiten erschrecken? Zwar
sagte sie sich, dass bei einer Leiche, die bereits skelettiert war, der
schaurige Vorgang der Verwesung abgeschlossen und damit eindeutig das
Schlimmste überstanden war, doch sie wusste aus Erfahrung, dass es Dr. Hillmot
im Zusammenhang mit seiner Arbeit häufig an Feingefühl mangelte.
Wahrscheinlich, weil er wenig Umgang mit Kindern pflegte, denn seine einzige
Verwandte war eine kinderlose Schwester, die in einem Fischladen ihr Geld mit
dem Ausnehmen von Heringen verdiente. So was musste nach Mamma Carlottas
Ansicht über kurz oder lang zur totalen Verrohung führen.
    Â»Hat die KTU etwas gefunden«, erkundigte sich Dr. Hillmot,
»was wichtig sein könnte?«
    Â»KTU?«, fragte Mamma Carlotta. »Was ist das?«
    Â»Kriminaltechnische Untersuchungsstelle«, antwortete Erik.
»Vetterich und seine Leute.« Er wandte sich wieder Dr. Hillmot zu.
»Es ist nicht einmal sicher, ob der Fundort auch der Tatort ist. Und selbst
wenn er es ist … anscheinend gibt es keine Spuren mehr. Vetterich meint, die
Leiche liegt seit ungefähr fünf Jahren dort.«
    Â»Vier bis sechs Jahre«, bestätigte Dr. Hillmot. »Zu dieser Ansicht bin
ich auch gekommen.« Er warf den Kindern einen schnellen Blick zu und
verzichtete dann zu Mamma Carlottas Erleichterung auf die Einzelheiten, die zu
dieser Ansicht geführt hatten.
    Â»Mann oder Frau?«, fragte Sören.
    Â»Ich tippe auf eine Frau.«
    Â»Woran können Sie das erkennen?«, mischte sich Felix ein.
    Â»Am Schädel«, erklärte Dr. Hillmot. »Die Kieferform ist
bei Männern anders als bei Frauen. Der Kiefer eines Mannes steht weiter vor als
bei einer Frau. Außerdem erkennt man es am Jochbogen.«
    Â»Was ist das denn?«, fragte Felix.
    Dr. Hillmot griff sich hinter die Ohren. »Fühlst du diese
Knochen? Die sind bei Frauen kleiner als bei einem Mann.«
    Erik beugte sich gespannt vor. »Und das Alter der Frau?«
    Â»Sie war noch relativ jung. Die Rückenwirbel sind nur wenig
abgenutzt. Und auch die

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