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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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heranzulassen und gewagtere Formen als Five-Pocket und
V-Ausschnitt. Immer vergeblich! Nun aber war Carolin eine angehende
Modedesignerin und urplötzlich allen Trends gegenüber sehr aufgeschlossen. Vor
allem aber, wenn es darum ging, sie anderen zu verpassen.
    Mit frischem Mut und neuen Ideen, von denen Sören nichts wusste und
die er sich vermutlich nicht mal im Traum ausmalte, war sie wieder zum
Modeatelier aufgebrochen, während Felix sich schon vorher der Frage entzogen
hatte, wann er seine überdimensionale Jeans endlich einem neuen Style opfern
wolle.
    Mamma Carlotta saß am Küchentisch, lauschte in die Stille des Hauses
und wusste, dass sie sie nicht lange ertragen würde. Was sollte sie tun? Ins
Modeatelier fahren? Oder besser mit Frau Kemmertöns Tee trinken und ein
weiteres Mal den skandalösen Umstand erörtern, dass Geraldine Bertrand ein Verhältnis
mit einem verheirateten Mann hatte? Oder aber dem Satz nachgehen, mit dem Erik
das Haus verlassen hatte. Geschmuggelte Luxusuhren …
    Mamma Carlotta dachte an die Form des Päckchens, das Tove über die
Theke geschoben hatte, und wusste, dass sie ihm auf den Zahn fühlen musste.
Sofort!
    Als sie zehn Minuten später vom Fahrrad stieg und Toves neuen
Wohlstand betrachtete, war sie sich noch sicherer als vorher. Er schien vollends
vom rechten Wege abgekommen zu sein, auf dem er sich selten genug aufhielt. Sie
musste ihn unbedingt dorthin zurückzerren, ehe Erik ihm auf die Schliche kam.
    Aber Tove hatte gerade mit einer Gruppe Amerikaner zu tun, die
anscheinend glaubten, dass deutsche Gemütlichkeit ausgerechnet in Käptens
Kajüte zu finden sei. Sie wollten bei Tove die typische norddeutsche Küche
ausprobieren und verlangten nach Heringsstipp und Labskaus. Mamma Carlotta
hätte gern für die Wahlheimat ihrer Tochter eine Lanze gebrochen, indem sie den
Wanderern aus den Staaten verriet, dass sie es hier nicht mit typisch deutscher
Gastlichkeit, sondern eher mit deren schlimmster Form zu tun hatten. Da aber
plötzlich Ausrufe wie »Wonderful!« und »How lovely!« an ihr Ohr drangen und sie
Blicke aus leuchtenden Augen auffing, verzichtete sie darauf, Toves Ruf als
Gastwirt zu diffamieren. Sie wunderte sich in Umbrien ja auch oft darüber, dass
es Touristen gab, die die Höhle von Signora Alberti für eine anrührend ursprüngliche
Taverne hielten, seit die auf die Idee gekommen war, ein paar Tische davor
aufzustellen und selbst gebackenes Brot anzubieten. Mamma Carlotta hatte
japanische Reisende beobachtet, die sich über die angeschlagenen Teller
köstlich amüsiert und kein böses Wort über die schmutzige Toilette verloren
hatten, weil sie sich in einer fremden Welt befanden, in der es umso interessanter
war, je fremder sie ihnen begegnete.
    Mamma Carlotta schob sich neben Fietje an die Theke, der dort wie
immer über seinem Jever hockte und die Unterhaltung der amerikanischen Gäste
belauschte, als könnte er ihr folgen.
    Â»Klar kann ich das!«, bestätigte er. »Schließlich habe ich mal das
Gymnasium besucht. Ist natürlich schon eine Weile her.«
    Mamma Carlotta fragte sich, wie so oft, welcher Lebensweg Fietje in
Käptens Kajüte geführt haben mochte. Dass er einen ganz anderen Start ins Leben
gehabt hatte als Tove, davon war sie längst überzeugt. Aber wie er als
Strandwärter auf Sylt landen konnte, das schien niemand genau zu wissen. Erst
recht nicht, wie es dazu kommen konnte, dass Fietje nur noch Zaungast des
Lebens war, sich in Käptens Kajüte die Illusion kaufte, noch immer
dazuzugehören, und sich dort, wo das nicht möglich war, in das Leben fremder
Menschen schlich, indem er sie heimlich beobachtete.
    Mamma Carlotta beschloss, nicht lange um den heißen Brei
herumzureden. Sie zeigte auf den Köm, der neben Fietjes Jever stand, und fragte
geradeheraus: »Wie kommt es, dass Sie in Käptens Kajüte nicht mehr bezahlen müssen?«
    Er lächelte nur vielsagend und antwortete: »Das kommt, weil wir
neuerdings so gute Freunde sind.«
    Â»Tove Griess und Sie?« Mamma Carlotta sah lange in Fietjes blaue
Augen, dann zu Tove, der aus einem Plastikeimer den Heringsstipp löffelte und
dabei ein Auge auf den grünlichen Brei hatte, den er als hausgemachtes Labskaus
verkaufte.
    Mamma Carlotta fand, dass ihr erster Schuss ins Blaue mitten im Ziel
gelandet war, und beschloss, gleich den nächsten

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