Flammen im Sand
sonst. Und dass sie gelegentlich ein bis zwei Minuten an
einem Stück schwieg, verstärkte Eriks Unruhe noch.
»Bist du aufgeblieben, bis Carolin nach Hause gekommen ist?«, fragte
er vorsichtig.
»Certo«, kam es zurück.
»Musst du heute auch ins Modeatelier?«
»Certo!«
»Aber erst später, hoffe ich.«
»Si! Carolina muss natürlich um neun da sein. Aber ich kann ja
kommen, wann ich will.«
»Willst du nicht mal einen Tag ausspannen?«
»No, no! Madame Perrette verlässt sich auf mich. Die Modenschau! Wir
müssen noch viel vorbereiten bis Sonntag. Es sind ja nicht mal alle
Kleidungsstücke fertig, die vorgeführt werden sollen. Madonna! Ich werde noch
viele Nähte ausbügeln müssen!«
Erik lehnte sich zurück und sah Mamma Carlotta dabei zu, wie sie das
Rührei in der Pfanne bewegte. Gemächlich schwappte es hin und her, während sonst
ein guter Teil auf der Herdplatte landete, der später unter vielen Verwünschungen
abgekratzt werden musste.
»Wie viel Schlaf hast du in der letzten Nacht eigentlich bekommen?«,
fragte Erik aufs Geratewohl.
»Genug«, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück.
Dass Mamma Carlotta ihn dabei nicht ansah, konnte Erik sich nicht
erklären.
Aber bevor er der Sache auf den Grund gehen konnte, klingelte das
Telefon. Mit einem begehrlichen Blick auf die Pfanne erhob er sich. »Das wird
Jannes Pedersen sein«, sagte er, ehe er die Küche verlieÃ. »Oder Yvonne
Perrette. Ihre Schwester weiÃ, dass ich die beiden sprechen will.«
Aber als er abnahm, meldete sich am anderen Ende weder Jannes
Pedersen noch Yvonne Perrette. Es war Geraldine Bertrand, die sich keine Zeit
für eine BegrüÃung lieÃ. »Meine Schwester ist verschwunden!«
Von Mamma Carlotta war die Müdigkeit abgefallen, als Erik
in die Küche zurückkehrte. »Signora Perrette ist verschwunden?«
Prompt verschloss sich Eriks Gesicht, der es gar nicht leiden
konnte, wenn Fragen auf ihn abgeschossen wurden, sodass er nur noch die Hände
hochnehmen und sie beantworten konnte. »Yvonne Perrette ist erwachsen«, brummte
er. »Wenn die mal eine Nacht nicht nach Hause kommt, ist sie nicht verschwunden.
Dann hat sie nur was Besseres vorgehabt.«
Mamma Carlotta blieb vor Empörung der Mund offen stehen. »Willst du
damit sagen, Signora Perrette hätte â¦Â«
Erik nahm ihr das Ende des Satzes ab, das ihr nicht über die Lippen
kommen wollte. »Wenn sie die Nacht in einem fremden Bett verbracht hat, dann
ist das kein Fall für die Polizei, sondern ihre Privatangelegenheit.«
»Und warum ruft Geraldine Bertrand dich an?«
Dass Erik keine Antwort auf diese Frage gab, erbitterte sie. Wollte
er ihr etwa weismachen, das ginge seine Schwiegermutter nichts an? Das war doch
die Höhe! Immerhin war Yvonne Perrette quasi ihre Arbeitgeberin!
In diesem Augenblick stellte Sören sein Fahrrad am Gartenzaun ab,
Carolin betrat die Küche, und Felix drängte sich gleich hinterher und forderte
lautstark, man solle ihm nicht vorwerfen, dass er bei seiner Morgentoilette
nicht übers Zähneputzen hinausgekommen war. »Caro hat sich stundenlang die
Wimpern getuscht! Bei verschlossener Tür!«
Mamma Carlotta blieb nichts anderes übrig, als ihren Zorn an den
Eiern auszulassen, mit deren Schonzeit es vorbei war. Sie spritzten wieder wie
eh und je auf die Herdplatte, und Erik sah so aus, als wäre er heilfroh darüber.
»Ich habe gestern Abend noch mit Tante Alessandra telefoniert«,
sagte Carolin, während Sören eintrat und es mal wieder für angebracht hielt, so
zu tun, als sei er völlig überrascht, dass man mit ihm gerechnet hatte und ein
Teller vor dem letzten freien Stuhl stand.
»Ich kam gerade nach Hause, als sie anrief«, ergänzte Carolin und
bedachte alle, die am Tisch saÃen, mit einem Augenaufschlag, der den Beweis
erbringen sollte, dass Wimperntusche zu ganz neuer Anerkennung führte. Mamma
Carlotta, die immer als Erste bemerkte, dass ein Enkelkind um Zuspruch warb,
war in diesem Fall nicht ganz bei der Sache. Der Anruf ihrer jüngsten Tochter
lenkte sie von Carolins kohlschwarz umrahmtem Blick ab. »Alessandra? Was wollte
sie?«
Auch Erik entging das neue dekorative ÃuÃere der zukünftigen
Modeschöpferin. Er verdrehte die Augen. »Dass die Capellas immer nachts
telefonieren müssen! Hat es sich bis
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