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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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die
Lippen so steif vor Kälte waren, dass sich mit ihnen kaum lachen, reden und
küssen ließ.
    Â»Zu einem Fest gehören Tanzen, Singen und Amore«, behauptete sie.
»Aber dafür muss es warm sein.«
    Â»Getanzt wird beim Biikebrennen tatsächlich nicht«, bestätigte Erik.
»Aber die Liebe wird trotzdem nicht vergessen. Liebespaare können gemeinsam
über die niedergebrannte Biikeglut springen, das soll ihrer Liebe Glück
bringen.«
    Dieser Aspekt gefiel Mamma Carlotta. Für sie hatte jedes Fest auch
etwas mit heimlichen Küssen, begehrlichen Blicken und dichtem Gebüsch zu tun,
hinter dem sich Liebespaare verstecken konnten. Das machte in Italien auch den
Alten noch Spaß, wenn sie längst Zaungäste der Liebe geworden waren.
    Â»Außerdem«, fuhr Erik fort, »soll das Biikefeuer Krankheiten
heilen.« Er warf Mamma Carlotta einen Blick zu. »Es kann also nicht schaden,
wenn du dicht ans Feuer gehst.«
    Mamma Carlotta erwiderte seinen Blick nicht. »Bei mir gibt es nichts
zu heilen«, entgegnete sie gereizt.
    Aber als auf dem Osterweg der Strom der Sylter immer dichter wurde,
sah Erik doch Vorfreude in ihrem Gesicht. Ihre Augen begannen zu leuchten, wie
immer, wenn sie etwas Neues sah, die Neugier sprach aus ihnen, die diese Augen
jung und strahlend erhalten hatte.
    Die ersten Wachsfackeln wurden angezündet, und schließlich kam eine
lange Lichterkette an der Norddörfer Halle an, hinter der die riesige Biike
wartete. Die Sylter Jugend hatte alles zusammengetragen, was brennen konnte:
Altpapier, Zeitungen, Kartons, trockene Zweige und vor allem Weihnachtsbäume.
In jedem Haus wurde der Weihnachtsbaum so lange in irgendeiner Ecke des Gartens
aufbewahrt, bis er für die Biike abgeholt wurde.
    Erik hielt die Fackel von sich weg, als sollte sein Gesicht im
Dunkeln bleiben. Mamma Carlotta wusste nicht, dass er seit Lucias Tod nie
wieder beim Biikebrennen gewesen war. Fest hielt er seine Fackel in beiden Fäusten,
so fest, dass die Erinnerung an Lucias kleine, weiche Hand verging. Und er ließ
Mamma Carlottas Stimme an sein Ohr prallen, die sich über alles wortreich
wunderte, was sie zu sehen bekam, damit er Lucias Stimme nicht hören musste.
Nach dem Biikebrennen musste er nur noch das Grünkohlessen in der Norddörfer
Halle durchstehen, dann war es geschafft. Vielleicht würde er im nächsten Jahr
nicht mehr daran denken, wie Lucia ihr Gesicht verzogen hatte, als ihr der
Teller mit dem Grünkohl vorgesetzt wurde. Und wie sie zur Seite geblickt hatte,
damit sie nicht sehen musste, wie die Kinder sich die fetten Kohlwürste einverleibten.
Beim nächsten Biikebrennen würde dann alles viel weniger wehtun.
    Hinter einer Fackel, ein paar Meter vor ihm, leuchtete Geraldines Gesicht
auf. Erik überlegte, ob er sich zu ihr durchdrängen sollte, ließ es dann aber.
Dem Telefongespräch, das sie am Vormittag geführt hatten, war ja nichts mehr
hinzuzufügen.
    Sie hatte nur kurz ihren Namen genannt und dann gleich
weitergeredet: »Ich habe überall nach Yvonnes Zeugnissen gesucht und noch
einmal alle geschäftlichen Unterlagen und Akten durchgesehen, aber ich habe sie
nicht gefunden.«
    Erik hatte sich so lange seinen Schnauzer glatt gestrichen, bis ihm
einfiel, dass Geraldine es nicht sehen konnte und sich vielleicht über sein
langes Schweigen wunderte. »Also können wir wirklich davon ausgehen«, sagte er
schnell, »dass Ihre Schwester Jannes Pedersen verlassen hat.«
    Â»So wie Elske?«, kam es herausfordernd zurück.
    Â»Ja, so wie Elske«, hatte Erik mit fester Stimme bestätigt. »Ihr
Entschluss, Jannes zu verlassen, und ihre Ermordung müssen aber keineswegs im
Zusammenhang stehen.«
    Â»Sie werden meine Schwester also nicht suchen lassen?«
    Â»Ich kann es nicht«, hatte er betont, »solange kein Verdacht
besteht, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.«
    Â»Reicht es nicht, dass sie mit einem Schläger zusammen war?«
    Â»Alles spricht dafür, dass sie gegangen ist, weil sie das Leben an
Pedersens Seite leid war. Und sie wollte Diskussionen, Drohungen und jeder Gewaltanwendung
entgehen.«
    Â»Genau wie Elske?« Der Spott in Geraldines Stimme war nicht zu
überhören gewesen.
    Â»Ja, genau wie Elske«, hatte Erik auch diesmal bestätigt. Er musste
sich bemühen, seiner Stimme einen überzeugenden Klang zu geben. »Am besten,

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